Dienstag, 28. Juni 2016

Digitales Lernen in der Grundschule

Digitales Lernen in der Grundschule

Als alter Lateiner bin ich an dieser Stelle versucht zu applaudieren, hat man doch bereits früher schon das Rechnen mit den Fingern gelehrt und gelernt. Weil die Telekom das Projekt finanziert, fürchte ich, dass mit digitalem Lernen eher die Erhöhung des Medienkonsums auch während der Schulzeit gemeint ist. Und so ist es.

Viele Grundschullehrkräfte benötigen mehr Unterstützung, wenn es darum geht, guten Unterricht mit digitalen Medien zu machen.

Die Gretchenfrage, ob es wirklich darum geht, in der Grundschule  Unterricht mit digitalen Medien zu machen, wird natürlich gar nicht erst gestellt. In unserer globalisierten Welt mit lebenslangem
Lernen und Kompetenzorientierung ist es selbstverständlich zwingend  erforderlich, das künftige Humankapital so früh wie möglich an das Empfangen von Befehlen aus ihren digitalen Tools zu gewöhnen. Sonst fangen sie gar noch zu denken an und sind zum Abarbeiten ihrer Arbeitsaufträge nicht mehr zu gebrauchen.

Zahlverständnis: Dieses Konzept hat den Aufbau eines flexiblen Stellenwertverständnisses zum Ziel.

Stellenwertverständnis ist wohl die Einsicht, dass die Ziffer 1 je nach Stellung einen anderen Wert hat. Wie Kinder früher diese Einsicht gewonnen haben, als es noch keine professionellen Didaktiker gab, weiß allein der Herr. Jetzt haben wir Didaktiker, und diese kommen mit der Einsicht daher, das Stellenwertverständnis habe flexibel zu sein. Nun ist der große Vorteil des Stellenwertsystems eigentlich der, dass es ganz klare Regeln gibt, wie die Zahlenschreibweise aufgebaut ist. Wie kann man dieses System flexibel verstehen? Ich weiß es nicht, aber es wird wohl wichtig sein.

Es ist der Einsatz einer digitalen Stellenwerttafel vorgesehen,

Eine digitale Stellenwerttafel. Der Fortschritt lässt grüßen - sicherlich lässt sich das Stellenwertsystem flexibler verstehen, wenn die Stellenwerttafel digital ist anstatt aus Papier, jedenfalls solange die Kleinen nicht ihr morgendliches Cola über die digitale Stellenwerttafel kippen und diese für die nächsten 8 Wochen (oder kommt die Telekom in solchen Notfällen sofort?) nicht mehr funktioniert.

Es ist der Einsatz einer digitalen Stellenwerttafel vorgesehen, dabei wird  ein Gesamtkonzept entwickelt, wie das Stellenwertverständnis in der  Primarstufe aufgebaut werden kann, um typische Schülerschwierigkeiten zu  Beginn der Sekundarstufe zu vermeiden.

Jetzt kommt Licht in die Bude: der Herr Professor, der noch nie Grundschüler unterrichtet hat, weiß, was Kinder mögen (digitale Stellenwerttafeln), und wie sie am besten lernen, damit typische Schülerschwierigkeiten zu Beginn der Primarstufe, die er ebenfalls nur vom Hörensagen kennt, vermieden werden. Das Lokalisieren von Schülerschwierigkeiten durch  Didaktiker lässt sich, so vermute ich, vergleichen mit dem Wünschelrutengehen,  wo die Erdstrahlen immer an der Stelle aus dem Boden schießen, wo das Bett steht.

In diesem Konzept wird ein Abstraktionsprozess des Winkelbegriffs entwickelt. Reale Winkelsituationen werden aus geometrischer Sicht  untersucht und fortlaufend verallgemeinert. Das digitale Medium dient  zur Analyse gemeinsamer geometrischer Konfigurationen und zum Aufbau  eines Vorstellungsnetzes von Winkeln.

Mit einem digitalen Medium sollen also reale Winkelsituationen analysiert werden. Sicherlich können Kinder die Begriffe eckig und rund besser auseinanderhalten, wenn ihr Vorstellungsnetz von Winkeln digital aufgebaut worden ist. Und warum bei der Grundschule aufhören? Sollte nicht auch das Vorstellungsnetz von Ball, Schaukel und Bauklötzen digital unterstützt werden? Es würde KiTa-Plätze sparen, wenn man die Kleinen einfach daheim  an den PC anschließt anstatt sie künstlich mit anderen Kindern spielen zu lassen.

Leseflüssigkeit: Dieses Konzept sieht ein pädagogisches Setting vor, in dem ein Schüler ein Hörbuch hört und gleichzeitig den Text am Tablet mitliest.  Die Sprechgeschwindigkeit kann individuell an die Lesegeschwindigkeit des  Schülers angepasst werden, so dass das digitale Medium hier als Unterstützung  zur Verbesserung der Leseflüssigkeit dient.

Jedes Kind wird also einzeln verkabelt, gelesen wid nicht von Eltern, die keine Zeit haben, oder Lesepaten, die man erst organisieren muss, sondern vom PC, Tablet oder Smartphone. In der schönen neuen Welt der Bildung wird die soziale Komponente ersetzt durch den besten Freund der Kinder, ihr digitales Lieblingsspielzeug, und die Eltern verdienen derweil genügend Geld, damit sie später die Therapeuten bezahlen können.

Medial gestützte Analogiebildung: Im Rahmen dieses Konzeptes werden Schülern kognitive Tools zur Verfügung gestellt. 

Vermutlich bin ich zu alt um zu verstehen, was kognitive Tools sind, dabei kann ich leidlich Latein und Englisch. Sind das erkennende Werkzeuge?  Was erkennen diese?

Diese unterstützen bei der Beobachtung und Durchführung von Experimenten  den Denkprozess, indem das Zwischenspeichern gedanklicher Schritte im  Arbeitsgedächtnis sowie metakognitive Prozesse erleichtert werden. 

Zwischenspeichern im Arbeitsgedächtnis? Ich vermute stark, dass mit dem Arbeitsgedächtnis nicht ROM oder RAM des Tablets, sondern das analoge Äquivalent der Kinder gemeint ist. Und was sind das für Experimente? Will Herr Kortenkamp hier zugeben, dass er Versuche an Schülern durchführt? Oder machen doch die Kinder Versuche? Welche kognitiven Tools unterstüzen  8jährige Kinder bei ihren Denkprozessen? Eine derart dehumanisierte Sichtweise  auf die Kinder, die man den von Kortenkamnp ausgebildeten Lehrern in die Hände  gibt, habe ich in der didaktischen Literatur noch nicht gelesen.  Arbeitsgedächtnis, Zwischenspeicher - redet man so von Kindern?

So ist eine stärkere Fokussierung auf den Analogiebildungsprozess möglich.

Was immer das heißt. Wenn bei Didaktikers etwas "möglich" ist, lese ich inzwischen immer noch automatisch dazu "falls Weihnachten und Ostern auf denselben Tag fallen".

Digitale Datenerfassung und -verarbeitung bei naturwissenschaftlichen . . . 


  • Experimenten: Bei diesem Konzept ermöglicht die digitale Erfassung, Verarbeitung und Darstellung von Experimentierdaten, dass auch ohne den klassisch notwendigen naturwissenschaftlich-technischen und mathematischen Apparat anspruchsvolle und praktisch relevante Phänomene forschend erkundet werden können.


Wenn die Daten der Experimente der Grundschüler digital aufgenommen werden, ist die Erfahrung der Realität natürlich eine ganz andere.  Und man kommt bei Experimenten in der Grundschule (Seifenblasen,  Papierflieger, oder das Einstein-Podolski-Paradoxon?) ohne den  klassisch notwendigen naturwissenschaftlich-technischen und mathematischen Apparat aus. Was die Ausbildung der Grundschullehrer zweifellos deutlich erleichtert.


  • Graphenalgorithmen: Hier werden Wegenetze modelliert und mit den Schülern algorithmisch erschlossen. So sind erste Vorerfahrungen mit Graphen (im  Sinne der Graphentheorie) möglich, die ein grundlegendes Modell in der  Informatik darstellen.


Graphentheorie in der Grundschule: Wegenetze (etwa der von der Bank  zur Steckdose) werden digital modelliert, damit - was weiß ich.  Es wird schon einen Sinn haben.

Die Würfelbau-Programmiersprache enthält Grundzüge typischer  Programmiersprachen, ermöglicht dabei jedoch altersgerechtes Lernen.

Die Würfelbau-Programmiersprache. Wo kämen wir dahin, wenn wir das Bauen mit Bauklötzen nicht gleich als Steilvorlage für das Programmieren verwenden würden. Und ganz zum Schluss noch ein Freudscher Verschreiber: natürlich hat Herr Prof. Dr. Kortenkramp (Institut für Mathematik) nicht "altersgerechtes Lernen" gemeint, sondern "artgerechtes".

1 Kommentar:

  1. Da es mittlerweile einigermassen erwiesen ist, dass früher Bildschirmkonsum und spätere Konzentrationsprobleme zusammenhängen kann es keine Vorteile geben, die eine Digitalisierung in der Grundschule rechtfertigen.

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