Sonntag, 4. September 2016

Größte bekannte Primzahl entdeckt!

Wenn unsere Lügenpresse hin und wieder einen Wutbürger aus Sachsen-Anhalt interviewt, denke ich mir hin und wieder schon, dass wir die finanziellen Mittel zum Sprachunterricht von Flüchtlingen vielleicht ein wenig anders verteilen sollten. Die Zeitschrift des Philologenverbandes Sachsen-Anhalt 1/2016 bietet dazu ihre ganz eigene Argumentationshilfe an. Der dort veröffentlichte Text ist hier kursiv gedruckt:

Primzahlen werden heutzutage von Computern entdeckt. Trotzdem kommt es nicht jeden Tag vor, dass eine solche Zahl gefunden wurde. 

Das erinnert an die Grammatik eines Grundschülers, der versucht, Redewendungen zu benutzen, die er nicht versteht. Richtig wäre gewesen zu schreiben, dass es nicht jeden Tag vorkommt, dass eine solche Zahl gefunden wird.

Ein Mathematiker hat nun die größte bisher bekannte Primzahl entdeckt.

Deutsch muss eine verdammt schwere Sprache sein. Sicherlich hat der Mathematiker eine Primzahl entdeckt, die größer ist als die größte bisher bekannte.

Euklid würde sich freuen. Der griechische Universalgelehrte hatte um 300 vor Christus als erster postuliert, dass es unendlich viele Primzahlen geben muss. 

Universalgelehrter? Hört sich besser an als das profane Mathematiker.

Und er hat die Unendlichkeit der Primzahlen natürlich nichr postuliert, sondern bewiesen. Oder, wenn es denn unbedingt ein Fremdwort sein muss, demonstriert.

Nun wurde seine, heute allerdings auch unbestrittene, These erneut bestätigt.

Ui. Dass seine These heute unbestritten ist, ist unbestritten. Aber das war sie gestern und vorgestern auch, weil eigentlich niemand (außer einem berüchtigten "Mathematiker" an der University of Applied Sciences in Augsburg) den Beweis je bezweifelt hat, gilt er doch als eine der Perlen der elementaren Mathematik. Und die Entdeckung einer neuen Primzahl könnte seine "These" stützen, aber nicht bestätigen: dazu müsste man ja wohl unendlich viele Primzahlen auf einen Schlag entdecken.

Curtis Cooper von der University of Central Missouri hat im Rahmen des Projektes Great Internet Mersenne Prime Search (GIMPS) eine bislang unbekannte Primzahl entdeckt. 

Jetzt ist es richtig.

Bereits am 17. September 2015 kam er dieser Zahl, die nur durch eins und durch sich selbst teilbar ist, auf die Spur.

Da wüsste man gern mehr. Hat er sie am Geruch erkannt? Ich vermute, dass damit die Praxis von GIMPS gemeint ist, die Entdeckung erst dann öffentlich zu machen, wenn der Lucas-Lehmer-Test auf mindestens zwei verschiedenen Rechnern die Primalität liefert. Das würde bedeuten, dass Cooper die Primzahl am 17. September entdeckt hat.

Doch auch im Computerzeitalter dauert die Überprüfung einer Primzahl ihre Zeit. Das liegt auch daran, dass die Zahl 22 Millionen Stellen hat, fünf Millionen Stellen mehr als die nächst kleinere Primzahl. Es ist damit die größte bislang gefundene sogenannte Mersenne-Primzahl 274.207.281 - 1.

Diese Zahl scheint mir a) nicht sehr groß und b) durch 10 teilbar zu sein. Gemeint war natürlich 274.207.281-1.

Primzahl kann jeder suchen

Eine sehr schöne Überschrift, allerdings weiß ich nicht, ob ich selbst Primzahl suchen möchte. Und wer ist diese oder dieser Primzahl eigentlich?

Für den Mathematiker Curtis Cooper ist es nicht die erste Primzahl, die er entdeckt hat. Bereits 2005, 2006, 2013 und 2015 hatte er Primzahlen beschrieben.

Man möchte nicht wissen, was im Hirn von jemand vorgeht, der einen solchen Satz hinschreibt. Wollte der Autor die Wiederholung des Worts "entdecken"vermeiden und hat es durch "beschreiben" ersetzt? Oder meint er, was er geschrieben hat?

Mersenne-Primzahlen kann im Grunde genommen jeder suchen, der einen Internetanschluss zur Verfügung hat. 

Nun ja. Mit einem smartphone wird das schwierig.

Eine solche Zahl ist folgendermaßen definiert: Wenn n eine natürliche Zahl ist, dann ist eine Mersenne-Zahl 2n - 1, wenn sie keine Teiler hat außer 1 und sich selbst.

Das mit der Hochzahl hat  wieder nicht geklappt, die Grammatik ist ebenfalls verunglückt, und wenn man weiß, was eine Mersennesche Primzahl ist, dann kann man auch erraten, was der Autor vielleicht schreiben wollte.

Eine Mersenne-Zahl kann nur dann eine Primzahl sein, wenn n selbst eine Primzahl ist. Die Primzahl, die Cooper nun entdeckt hat, ist  die 49. Mersenne-Primzahl. Sie könnte den Mersenne-Preis gewinnen,  der mit 3000 US-Dollar ausgelobt ist.

Man kann einen Preis ausloben, aber nicht mit 3000 US-Dollar. Man könnte ihn mit 3000 US-Dollar dotieren. Und ob der Preis an die Primzahl geht oder nicht doch an Herrn Cooper, scheint mir auch noch nicht ausgemacht.

© Axel Springer SE 2016. Alle Rechte vorbehalten (21.01.2016)

Das ist seltsam, denn derselbe Artikel steht auch hier, zusammen mit dem Namen "Pia Heinemann" und "Lesedauer: 2 Minuten".  Entweder konnte also beim Philologenverband Sachsen-Anhalt niemand diese 2 Minuten aufbringen, bevor der Artikel in Druck ging  - oder man spricht dort doch eine andere Sprache. Die Sueddeutsche kann das zwar nicht glauben, ist doch der deutsche Philologenverband "eine Organisation sprachlicher Genauigkeit", aber auch der Sueddeutschen ist bei der Überschrift "Eine Immigranteninvasion überschwappt Deutschland" kein Verstoß gegen die deutsche Sprache aufgefallen. Eine Suppe kann überschwappen, aber sie kann nicht den Tisch überschwappen; eher schwappt sie über den Rand des Tellers, aber in diesem Fall wird die Suppe im Teller weniger und nicht, wie der Schreiberling beklagt, mehr. Vielleicht könnte sie über den Tisch schwappen, aber das klingt dann schon sehr abenteuerlich.