Sonntag, 27. November 2016

Wank, wanka, am wanksten

Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, Wortspiele über den Nachnamen unserer Bildungsministerin zu vermeiden, vor allem, weil der Sache ja auch anatomische Grenzen gesetzt sind. Aber meine Vorsätze zerbröseln langsam.

Wankas Digitalpakt, den die Bloggerszene als die großartigste Idee seit Erfindung des Feuers feiert, verdient eine bessere Berichterstattung. Einige Fakten habe ich bei meinem ersten Kommentar ebenfalls übersehen.

  1. Hier kann man folgenden Satz zum geistigen Ursprung des Wankaschen Sprungs nach vorne lesen: Mein Freund Jörg Dräger hat mich überredet, mir mal Lernsoftware anzuschauen. Da gibt es wunderbare Programme. Wankas Feund Jörg Dräger  ist im Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. Von 2001 bis 2008 war er Senator für Wissenschaft und Forschung der Freien und Hansestadt Hamburg, sowie Mitglied der Kultusministerkonferenz. Die Frage bleibt, warum man Wankas wunderbare Lernsoftware nicht auch schon jetzt (und zwar von zu Hause aus) gebrauchen kann. 
  2. Spiegel online zitiert einen IT-Manager mit dem Satz "Das Programm ist ein Fest für die Industrie". Als der Vorsitzende  des deutschen Lehrerverbands Kraus etwas Ähnliches sagte, wurde er dafür fast gekreuzigt, unter anderem von Professorin Eickelmann, die nicht mit Bertelsmann, sondern mit der Telekom verbandelt ist.
Selbst wenn man, wie etwa Herr Wolfgang Ksollin seinen Kommentaren versprüht, wie wenig Ahnung von der Tätigkeit eines Lehrers man doch hat, wäre es gut, vielleicht einmal darüber nachdenken, wieso gerade die großen digitalen Medienkonzerne Bertelsmann und Telekom aus dem Lobpreisen nicht mehr herauskommen und als einzigen Kritikpunkt die bescheidene Zahl von 5 Milliarden Euro nennen, die natürlich vorn und hintern (pun intended) nicht reicht.

Samstag, 26. November 2016

Wie man heute binomische Formeln unterrichtet - und warum

In einem bereits etwas älteren Artikel der RP erfährt man, wie man heute binomische Formeln unterrichtet.  


       Natürlich könne man sie einfach auswendig lernen, sagt Gunter Fischer, Schulleiter am 
       Clara-Schumann-Gymnasium in Viersen-Dülken. Man kann sie aber auch als Summe 
       sich ergänzender Rechtecke verstehen.
   
Eine wirklich erstaunliche Erkenntnis der modernen mathematikdidaktischen Forschung. Denn es ist ja nun nicht gerade so, als hätten das die Babylonier vor 4000 Jahren, Euklid in seinem 2. Buch um 300 v.Chr., die italienischen Algebraiker um Cardano im 16. Jahrhundert oder die Schulbücher aus den 1990er Jahren anders gemacht. Was kann man da als nächstes erwarten? Die Erfindung von Anführungszeichen zum Kenntlichmachen der direkten Rede vielleicht?

Wie man lesen kann, hat die Neuerfindung der Mathematik und die im Gegensatz zu anderen Schulen perfekt umgesetzte Philosophie der Kernlehrpläne so ihre Tücken: zwei Jahre später 
mault der Schulleiter jedenfalls, dass die Eltern allem Anschein nach zu doof seien, die Qualität dieser Schule zu erkennen, weil sie ihre Kinder lieber woanders hin schicken. Die Welt ist einfach ungerecht.

Vielleicht hat man in Viersen-Dülken aber einfach nur verschlafen, dass die Entwicklung des Unterrichts der binomischen Formeln vor 2 Jahren nicht aufgehört hat, und dass man derartige Dinge in der Lebenswelt der Schüler verankern muss, damit diese sich vom Sinn dieser Formeln überzeugen können. In den USA macht man das nämlich so:




FOIL ist dabei die First-Outer-Inner-Last-Methode zum Ausmultiplizieren zweier Summen wie in (a+b)(c+d) = ac+ad+bc+bd. Den Text kann ich nicht ins Deutsche übersetzen oder kommentieren, ohne dem Wahnsinn anheim zu fallen, deswegen sei diese Aufgabe den Lesern überlassen. Dass das kein Ausrutscher ist, zeigt die Tatsache, dass auch andere Bücher diese geniale Umsetzung binomischer Formeln übernommen haben, und zwar mit dem gleichen bescheuerten Text, aber einem anderen Bild:



Freitag, 18. November 2016

Wo liegt denn Stalingrad?

Das fragte sich Jupp in einem Lied von BAP vor vielen Jahren - nicht, weil er es nicht wusste, sondern weil er es verdrängt hatte. Heute wäre diese Frage sinnlos, denn wer wissen will, wo Stalingrad liegt, kann es einfach nachgoogeln .Ob sich einem der Sinn des Liedes sofort erschließt, wenn man gelernt hat, dass es in der Sowjetunion lag und heute in Russland, sei dahingestellt.

And now for something completely different, wie es bei Monty Python immer hieß. Die Schwäbische Zeitung macht neuerdings regelmäßig Werbung für die digitale Revolution. Sie beginnt damit, den Präsidenten des Lehrerverbands Josef Kraus in die Dinosaurierecke zu stellen:

     "Mit seiner Meinung, dass Computer, Laptops und Tablets in Schulen kaum einen
      Mehrwert bringen, steht Josef Kraus ziemlich allein da"

kann man dort lesen. Das ist nicht die ganze Wahrheit, weil wir mindestens zu zweit sind. Inzwischen hat sich sogar die DMV dazugesellt, also die Vereinigung der deutschen Mathematiker. Ziemlich allein scheint jetzt nur noch Kevin zu sein, und der heißt heute Birgit Eickelmann. Frau Prof. Dr. phil. habil., wie sie mit voller Titelei (ich habe die t nachgezählt, sicher ist sicher) von der CDU-CSU Fraktion genannt wird, "kann diese Haltung nicht verstehen". Bei Schultafeln käme dieser Vorwurf ja auch nicht:

    "Diese Diskussion geht damit zu Lasten der jungen Generation und ist für mich nicht      
      nachvollziehbar", sagte sie der "Schwäbischen Zeitung".

Dass sie es nicht versteht, hatte sie ja bereits erwähnt, aber sicher ist sicher. Dass diese Diskussion zu Lasten der jungen Generation geht, ist wie die Einsamkeit um Herrn Kraus eine Behauptung, die durch keinerlei Fakten verunstaltet wird. Das wollen wir jetzt etwas ändern. Denn wie Jupp von BAP sind Frau Eickelmann gewisse Teile ihrer Vita "entfallen"; im Gegensatz zu einem Penner der 1980er hätten ihr aber die Segnungen der modernen Technik, die zu preisen sie nicht müde wird, zur Verfügung gestanden. Will heißen: sie hätte einfach in Netz nachsehen können, dass sie für ihren Einsatz digitaler Medien in Schulen von der Telekom bezahlt wird. Telekom? In welchem Land ist das?

Dass Frau Eickelmann an der Erhebung bzw. Auswertung zweier Studien beteiligt war, nämich an ICILS (2013) und an "Schule digital" (2015), wird im Artikel erwähnt, wohl um ihre Kompetenz in Sachen digitaler Bildung zu belegen. Die Sonderauswertung der ICILS durch Frau Prof. E. wurde
 von der Telekom in Auftrag gegeben, die zweite Studie von der Telekom bezahlt. Weiter hat Frau Prof. E. vergessen zu erwähnen, dass sie Mitautorin des von der Telekom bezahlten und für die Telekom geschriebenen Büchleins "Medienbildung entlang der Bildungskette" ist.

Ich vermute, dass diese Art der Prostitution in der akademischen Welt heute gang und gäbe ist bei allen, die ihren Professorenberuf für unterbezahlt halten. Auch dass eine Gruppe von mit Millionenbeträgen seitens TI gefütterten Didaktiker wie Hartwig Meissner und Bärbel Barzel jahrzehntelang das Hohe Lied der graphikfähigen Taschenrechner an Schulen gesungen haben ist nicht wirklich neu, jedenfalls nicht mir. Was neu ist ist die Chuzpe, die Diskussion über ein dahinterstehendes "a quoi bon" als eine Diskussion zu Lasten der armen Jugend von heute zu bezeichnen. Frech, dreist, und bodenlos unverschämt hätte ich das im vor-Trumpschen Zeitalter genannt.

    "In etlichen Bereichen rangiert der Südwesten im Ländervergleich im unteren Drittel", behauptet        Frau Eickelmann, "etwa bei der Frage, ob Lehrer glauben, dass Schüler dank Computer 
     besseren Zugang zu Informationsquellen bekommen". 

Ein Ländervergleich über eine Frage nach dem Glaubensbekenntnis von Lehrern? Geht's noch? Und nebenbei bemerkt, wenn man das Diagramm auf den Kopf stellt, dann sind wir im oberen Drittel. Wer legt denn hier fest, was oben ist? Ist der Glaube an das, was im Netz geschrieben ist, automatisch "oben"? Oder sollten Lehrer nicht auch wissen, dass man dank Computer auch Zugang zu verdammt miesen Informationsquellen hat? Trump, anyone?

Aber zum Glück gibt es hierzulande ja noch eine freie Presse. Die hat es allerdings versäumt, im allwissenden Internet nachzusehen, was die Frau Eickelmann so treibt, wenn sie nicht mit der Presse spricht.  Offenbar fehlte es hier nicht an einem Zugang zu besseren Informationsquellen, sondern an Wissen, wie und von wem hierzulande Bildungspolitik gemacht wird, sowie an einem gesunden Misstrauen gegenüber den Leuten, die unser Bildungssystem in den letzten 20 Jahren gegen die Wand gefahren haben. Aber wo soll das herkommen?

P.S. Meinen Leserbrief wollte die SZ nicht abdrucken.

Donnerstag, 3. November 2016

U'nd jetzt wird die Modellierung verändert . . .


Kritik an den schwachsinnig eingekleideten Abituraufgaben in Deutschland ist nicht wirklich neu. Neu ist, dass die letzten Abituraufgaben in  Baden-Württemberg, die nicht vom IQB stammen, allem Anschein nach von Leuten verfasst wurden, die den Kritikern dieses Aufgabenformats Munition liefern wollen. Dabei beginnt die Aufgabe A1 des Nachtermins 2016 wie alle andern auch: die Temperatur eines Dingsbums (ein Taschenwärmer, aber das tut nichts zur Sache) wird beschrieben von einer Funktion f, und es folgen Fragen nach dem Maximum, nach dem Zeitraum, in dem die Temperatur oberhalb  von 20o C liegt, und nach der größten Temperaturabnahme (gemeint ist die schnellste Temperaturabnahme, aber man muss die Fragen so stellen, dass Leute, die sich was dabei denken, ins Straucheln kommen). Auch die Fragen in Teil b) waren schon ein gefühltes Dutzend Mal dran: mittlere Temperatur und der rechnerische Nachweis, dass sich das Ding, nachdem die Temperatur maximal war, immer weiter abkühlt.

Inhaltlich ist auch Aufgabenteil c) eine Standardfrage, was diesen Nachtermin dann doch zum vermutlich einfachsten seit der Einführung von G8 macht. Eine Überraschung liefert dagegen die Formulierung:

Ab dem Zeitpunkt t=60 wird die Modellierung so verändert, dass die momentane Änderungsrate konstant bleibt.

Dann wird gefragt, wie sich die Realität durch die Modifikation des Modells ändert:

Wann hat der Taschenwärmer nach diesem Modell wieder die Umgebungstemperatur angenommen?

Ist das schon subversiv? Oder gibt man jetzt offen zu, dass die Modellierungsaufgaben nichts modellieren, also nur an den Haaren herbeigezogene Einkleidungen sind mit dem einzigen Zweck, das Fach Mathematik so lächerlich wie möglich erscheinen zu lassen?

Das IQB wird sich anstrengen müssen, um diesen Unsinn beim Abitur 2017 zu übertreffen. Ich hege allerdings nicht den geringsten Zweifel daran, dass ihm das gelingen wird.