Dienstag, 28. März 2017

Brandbrief II: bei den alternativen Fakten bleiben . . .


Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn man dies bei der  gegenwärtigen Bildungstragödie so nennen darf, dass die empirischen Didaktiker davon überzeugt zu sein scheinen, dass sie die "Fakten" auf ihrer Seite haben.

Komisch deswegen, weil sie mit ihren Studien über eine oder zwei Klassen den Eindruck von Lehrern übertrumpfen (um nicht zu sagen übertrumpen) möchten, die jede Woche mehr Schüler sehen als jede einzelne Studie testet.

Komisch deswegen, weil Studien keine Fakten hergeben, sondern nur Daten. So soll Deutschland beim letzten PISA-Test zumindest nicht schlechter geworden sein. Das ist ein Fakt. Die Behauptung, dies zeige, dass die Mathematikkenntnisse der deutschen Schüler zugenommen habe, ist dagegen kein Faktum, sondern eine Behauptung. Fakt ist, dass deutsche Schüler, seit sie im Mathematikunterricht PISA-Aufgaben trainieren, bei der Beantwortung von PISA-Fragen nicht schlechter geworden sind. Dass man PISA-Punkte nicht mit Mathematikkenntnissen identifizieren kann,  versteht sich für Hinz und Kunz von selbst, aber eben nicht für Blum und Kaiser. Intelligenz ist halt im wesentlichen normalverteilt . . .

Die Uminterpretation der PISA-Ergebnisse ist nun kein Ausrutscher,  sondern hat Methode. Die Auswertung der bei Studien gewonnenen Daten enthält in der Regel noch viel haarsträubendere Fehlschlüsse.

Beispiel 1: Um den Einfluss von Taschenrechnern auf die Rechenfertigkeiten zu testen, wird gefragt, wer von den Schülern bei Hausaufgaben den TR  benutzt. Die Daten legen nahe, dass die Benutzer des TR im Schnitt  besser rechnen können als die, die es nicht tun. Folgerung: die Benutzung des Taschenrechners verbessert die Rechenfertigkeiten.

 Tatsächlich werden diejenigen, die an Mathematik kein Interesse haben, die Hausaufgaben entweder nicht machen oder sie abschreiben; dafür braucht  man keinen TR. Die schlechten Schüler werden also automatisch bei den  Nichtbenutzern mitgerechnet.

Beispiel 2: In einer Studie (Nimbus)  wurden die Durchschnittspunkte von  Mädchen und Jungen im Abitur vor und nach Einführung des GTR  verglichen. Die der Mädchen sank um einen Punkt. Folgerung: Mädchen haben durch den GTR Nachteile.

Tatsächlich wurde gleichzeitig mit der Einführung des GTR die Leistungskurse abgeschafft. Mädchen wählten davor in der Mehrhheit den Grundkurs, die Leistungskurse waren vor allem von Jungs bevölkert. Durch die Abschaffung der Grundkurse wurde mehr  Mädchen als Jungen mehr abverlangt, was zu einem Sinken des Schnitts führte. Mit dem GTR hat das ganze also nichts bis gar nichts zu tun.

Beispiel 3: Natürlich ist es am einfachsten, wenn man bereits die Fragestellung so türkt, dass die Antworten das gewünschte Muster zeigen. Um etwa nachzuweisen, dass Schüler lieber die Pseudomodellierungsaufgaben  der modernen alternativen Didaktik rechnen als innermathematische Aufgaben (so heißen jetzt die Aufgaben, die man früher auf der Schule und der _Universität gelöst hat), bei denen man - Gott behüte - unter Umständen eine Idee braucht, kann  man den Fagebogen so gestalten wie Schukajlow, Leiss, Pekrun, Blum, Müller und Messner in Educational Studies in Mathematics, Vol. 79, No. 2  (February 2012), 215-237:


Abschließend sei gesagt, dass mir das Testergebnis einer Klasse und einer Vergleichsklasse eine Woche nach einer Lerneinheit an sämtlichen Körperteilen vorbeigeht. Was mich interessiert, ist ob die (bzw. wieviele) Schüler  den Stoff nach ein oder zwei Jahren bzw. beim Abitur oder Studienbeginn beherrschen. Das könnte man auch testen, macht es aber nicht, weil zum einen die Ergebnisse ernüchternd wären, und weil zum andern solche Langzeittests einer langen Publikationsliste nicht zuträglich sind: Die  großen Namen der modernen Didaktik schreiben gefühlte 50 Artikel pro Jahr. Dass dabei dicke Bretter gebohrt werden, kann glauben, wer mag.

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