Mittwoch, 9. August 2017

Brohfesor Prieklman

Mit der Orthographie der heutigen Jugend ist es, wenn man, wie Didaktiker gerne zu sagen pflegen, "Einzelbeobachtungen" glaubt (das sind Beobachtungen aller Leute, die beruflich mit der Jugend zu tun haben, und streng zu unterscheiden von belastbaren Studien der Bildungsforscher, die auf Stichproben von mindestens 30 ausgewählten Schülern zurückgreifen können), nicht arg weit her. Die namhaften Didaktiker (so werden sie bei der DMV bezeichnet, wenn sie viel geschrieben haben) sehen das naturgemäß anders, so auch Prof. Dr.  Brügelmann, seines Zeichens "Fachreferent im Grundschulverband".

Wie wird man Fachreferent im Grundschulverband? Im vorliegenden Fall studiert man 5 Jahre Rechts-, Sozial- und Politische Wissenschaften, setzt nochmal 5 Jahre eines erziehungswissenschaftlichen Aufbaustudiums drauf und wird währenddessen in den  Ausschuss Strategien der Curriculumreform beim Deutschen  Bildungsrat berufen. Das reicht aus, um 1993 auf eine Professur für Grundschulpädagogik und -didaktik an die Universität Siegen berufen zu werden. Dort war zu diesem Zeitpunkt bereits  Hans Werner Heymann tätig, dessen wikipedia-Seite ihn ungelogen als Mathematiker bezeichnet und für seine berüchtigte Habilitation (mit dem Ziel, den verpflichtenden Mathematikunterricht ab Klasse 8 abzuschaffen) kaum eine Zeile übrig hat. Diese beiden Prof(i)s für das Unterrichten an der Universität Siegen haben also zusammen gerade mal überhaupt kein Jahr lang auch nur einen Schüler unterrichtet, saßen aber beide in diversen Kommittees zur Überarbeitung der Lehrpläne. Chapeau!

Ebendieser Herr Brügelmann hat sich in seiner Eigenschaft als Fachreferent im Grundschulverband zum angeblichen Verfall der Rechtschreibkenntnisse geäußert, und zwar hier. Als erstes stellt er die Frage, ob diese Kenntnisse tatsächlich nachgelassen haben, und ob das überhaupt wichtig ist.

        Ob es tatsächlich einen Rechtschreibverfall gibt, bezeichnet 
        etwa der Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung, 
        Prof. Becker-Mrotzek, als „eine müßige Frage".

Habe ich schon erwähnt, dass auch Prof. Becker-Mrotzek kein einziges Jahr unterrichtet hat? Jedenfalls wird den Klagen über mangelhafte Orthographie gekonnt der Boden entzogen:

        Soweit es überhaupt einigermaßen seriöse Studien gebe, zeigen sie 
         eher „die Tendenz, dass die Rechtschreibleistungen nicht schlechter 
         geworden sind“. 

Natürlich gilt das nur für einigermaßen seriöse Studien, also solche, die zum gewünschten Ergebnis kommen. Selbstverständlich, schließlich geht es hier um universitäre Forschung, wird diese Behauptung belegt, und zwar durch einen Verweis auf diese Seite des Tagesspiegels. Und tatsächlich, dort steht es schwarz auf weiß:

        Allerdings zeigen alle vorliegenden seriösen Studien – wie Hans 
        Brügelmann schon sagt – die Tendenz, dass die Rechtschreibleistungen 
        nicht schlechter geworden sind.

Der Beleg von Herrn Professor Brügelmanns Behauptung ist also ein Verweis auf eine von Herrn Professor Brügelmann gemachte Behauptung - Forschung an Deutschlands Hochschulen kann so einfach sein!

Um der Wahrheit die Ehre zu geben, verweist der Herr Professor auch auf eine tatsächliche Studie, und zwar mit einem link, der so anfängt:

                file:///C:/Users/HB/Dropbox/Public/

Mit der Medienkompetenz der Leute, die alle fünf Minuten über notwendige Lehrerfortbildung in Sachen Medienkompetenz schwadronieren, ist es also nicht sehr weit her. Lediglich der Verweis auf eine Hamburger Schreib-Probe ist zielführend und führt uns auf diese Seite, die dann auch klärt, woher die nicht fallenden Leistungen in Sachen Rechtschreibung kommen. Bei den Erhebungen von Herrn Dr. May (dieser hat vor mehr als 40 Jahren tatsächlich 4 Jahre lang unterrichtet, wenn man zwei Jahre Referendariat dazuzählt) werden nämlich nicht etwa die Rechtschreibfehler gezählt - das ist retro! - sondern auch Graphemtreffer:   

          Graphemtreffer: Die Zahl richtig geschriebener Grapheme dient 
          der Einschätzung des erreichten Niveaus des Rechtschreibkönnens.

Brohfessor ist also kein Rechtschreibfehler, sondern ein Graphemtreffer, oder besser noch ein Grafehmdrepher. Oder, wie wir mit Professor  Becker-Mrotzek fragen möchten:

          Wie viel Abweichung oder Varianz verträgt die Rechtschreibung?      
      

2 Kommentare:

  1. Dass die Fähigkeit, fehlerfrei zu schreiben, abgenommen hat, wird jeder Deutschlehrer bestätigen, der schon einige Jahrzehnte Lehrerfahrung vorweisen kann. Gleiches gilt auch für die Präzision der von Schülern zu Papier gebrachten Sätze.
    Die Abiturnoten leider darunter aber kaum. Warum? Weil die Orthographie kaum ins Gewicht fällt und weil mit einer einigermaßen korrekten Textwiedergabe und einigen halbgaren Analyseansätzen bereits die Bestehensgrenze erreicht wird.

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  2. Dass es jeder Deutschlehrer bestätigen kann, zählt aber nicht, wie mir ein Referent aus dem RP geschrieben hat. Das sind Einzelbeobachtungen. Was zählt, sind die knallharten Fakten der Didaktiker und Bildungsforscher, also die Studien mit den Graphemtreffern. Aber Ihre Beobachtungen stimmen natürlich.

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