Sonntag, 12. Mai 2019

Schmidchen Schleicher II

Der "größte Bildungsexperte Deutschlands", wie er gerne genannt wird, oder der größte Vollidiot nach Trump, wie PISA-Schleicher bei mir heißt, hat sich in Sachen Abitur zu Wort gemeldet. Offenbar gebe es Schwierigkeiten, also fragt er sich:

  • War die Vorbereitung im Unterricht nicht optimal? 
Vorbereitung auf was? Auf das Abitur? Die war so optimal wie jedes Jahr. Vorbereitung auf ein MINT-Studium? Ist leider nicht mehr möglich, seit die Lehrer gezwungen sind, Schülern das Lösen dieser PISA-Aufgaben anzutrainieren, die sie im Abitur vorgesetzt bekommen. 

  • Eines ist für mich aber klar: Die Richtung, in die sich die deutsche Abiturprüfung in Mathe entwickelt hat, ist eindeutig richtig. 
Das sehen die Leute, die mit unseren Abiturienten etwas anfangen sollen, leicht anders. 
  • In der Vergangenheit sei es vergleichsweise leicht gewesen, die Mathe-Prüfung zu bestehen – wenn Schüler Formeln auswendig gelernt hätten.
Ich kann mich dunkel daran erinnern, dass es schon zu meiner Zeit eine Formelsammlung im Abitur gab. Ich weiß beim besten Willen nicht, wovon Schleicher hier redet.
  • Die PISA-Ergebnisse zeigen: Deutsche Schüler sind gut darin, etwas auswendig zu lernen.
Ich sag's mal so: Die Lehrer, die ich kenne, machen täglich andere Erfahrungen. Und da Auswendig-Lernen bei PISA-Tests (kennen Sie Ihre eigenen Tests nicht? Oder haben Sie die Fragen schon wieder vergessen, weil Sie nichts auswendig lernen können?) nicht abgefragt wird, darf man sich fragen, aus welchen Daten und Dätchen Sie diesen Schluss gezogen haben. Meine Vermutung: Sie haben das einfach mal so behauptet. Es gibt, wie bei jedem Tweet von Trump, immer Idioten, die jeden Scheiß glauben.
  • Jetzt erwarten wir von den Schülern etwas Anspruchsvolleres: Es geht darum, wie ein Mathematiker zu denken, komplexe mathematische Zusammenhänge zu analysieren.
Ich könnte meinen Schülern durchaus beibringen, wie ein Mathematiker denkt, denn im Gegensatz zu Ihnen, Herr Schleicher,  weiß ich, wie  Mathematiker denken. Gut, Sie haben in Australien ein Aufbaustudium Mathematik absolviert, anscheinend erfolgreich, haben aber damit offenbar ebensowenig anfangen können wie mit Ihrem Physikstudium. Warum hätten Sie sich sonst mit Bildungsfragen beschäftigen sollen? Sicher, auf die Idee, mit ein und demselben multiple-choice-Test die Bildungssysteme von Dutzenden von Ländern vergleichen zu wollen, muss man erst einmal kommen. Sie werden mir aber verzeihen, dass ich das nicht als Ausdruck Ihrer unglaublichen Intelligenz anerkennen mag.
  • Schleicher, der selbst Physiker und Mathematiker ist
schreibt news4teachers und hat offenbar keine Ahnung davon, dass jemand, der Kunst studiert hat, nicht automatisch ein Künstler ist, und nicht jeder, der eine Vorlesung in Philosophie über sich ergehen lassen hat, als Philosoph durchgeht, selbst wenn sein Name mit P anfängt und mit recht aufhört.

Schauen wir doch einmal in das Abitur BW, um zu sehen, wo die Schüler wie Mathematiker hätten denken müssen. Weil ich mich vermutlich strafbar mache, wenn ich die Aufgabe hier im Original wiedergebe (die Bayern stellen ihre Aufgaben nach der Prüfung postwendend ins Netz, in BaWü ist das verboten, vermutlich weil man sich doch ein ganz klein wenig schämt), habe ich sie leicht modifiziert. 

Wir beginnen also mit der Wahlteilaufgabe in Analysis, bei der es um das Wachstum von irgendwas geht. Erstaunlicherweise wird dieses nicht durch eine Funktion beschrieben, sondern durch ein Schaubild: 

Ohne Funktion wird es wohl nichts zu rechnen geben; meines Wissens ist das die erste Abituraufgabe in Analysis seit Einführung des Abiturs durch Preußen Anfang des 19. Jahrhunderts, in welcher es nichts zu rechnen gab. Aber, so Schleicher:
  • Das sind andere Anforderungen als früher, aber sie sind  richtig und zeitgemäß. Im realen Leben stehen auch keine Formeln und Gleichungen vor uns.
Im realen Leben messe ich, wenn ich Mais anpflanze, nicht wöchentlich seine Länge und trage das in ein Schaubild ein, sondern sehe zu, dass die Pflanzen genügend Wasser haben, wenn es längere Zeit nicht geregnet hat. Aber zurück zum "Denken wie ein Mathematiker": Diese Abbildung zeigt das Schaubild einer Funktion, welche die Größe von Schleichers Ego während der ersten 17 Jahre nach PISA in cm beschreibt. 

a) Geben Sie den Zeitraum an, in dem die Höhe von Schleichers 
    Ego von 20 cm auf 40 cm zunimmt.

Die erste Frage im baden-württembergischen Mathematik-Abitur im Wahlteil Analysis, das predige ich meinen Schülern seit Jahren, ist einfach. Man muss da weder ableiten, noch integrieren, sondern nur etwas in die Funktion einsetzen. Dieses Mal nicht einmal das: Man musste zwei Koordinaten ablesen. Ich frage mich, wie viele Grundschüler in der Lage sind, diese Frage halbwegs richtig zu beantworten. Heißt das, dass diese Grundschüler schon in der Lage sind, komplexe Zusammenhänge zu analysieren und wie Mathematiker zu denken? 

      Bestimmen Sie die momentane Änderungsrate der Größe des
      Schleicherschen Egos 4 Jahre nach PISA. 

Hier muss man die Steigung der Tangente ablesen, darf aber nicht vergessen, dass auf der y-Achse zwei Kästchenlängen 10 cm sind. Grundschüler sind damit vielleicht überfordert, aber irgendetwas muss man zwischen Klasse 4 und 12 ja auch noch lernen.

     Beschreiben Sie die Bedeutung der Wendestelle t = 6,5 der 
     Funktion im Sachzusammenhang.

Im Auswendiglernen sind unsere Schüler gut, also werden Sie hingeschrieben haben, dass in der Wendestelle die Steigung extremal ist; im vorliegenden Fall ist die Wachstumsgeschwindigkeit von Schleichers Ego dort also am größten.

     b) Formulieren Sie zu der Gleichung f(t+2) - f(t) = 5 eine 
          Fragestellung im Sachzusammenhang

Diese Frage steht ja schon in der Sammlung der Musteraufgaben für das Abi 2019 auf der Seite des RP (siehe etwa Seiten 40-42 hier oder Seite 12 hier); überrascht haben kann sie also niemanden, Nach der vorgegebenen Musterlösung musste man hinschreiben, dass nach einem Zwei-Jahres-Zeitraum gefragt ist, in dem Schleichers Ego um 5 cm gewachsen ist. Wie der Maestro selbst sagt:
  • Da gilt es, Zusammenhänge zu erkennen und in die Sprache der Mathematik zu übersetzen.
Eigentlich andersrum: Jemand hat eine Banalität in die Sprache der Mathematik übersetzt, und der Schüler muss jetzt zurückübersetzen. Eine Frage noch, dann ist diese Aufgabe überstanden:

    Geben Sie eine Lösung der Gleichung an.

Man muss also nachschauen. wann das Schaubild ein Kästchen nach oben geht, wenn man 4 Kästchen nach rechts geht. Natürlich muss man dazu erst den komplexen Zusammenhang zwischen Realität und dem Schaubild analysieren und dann Denken wie ein Mathematiker. Aber danach ist die Aufgabe dann doch lösbar, sogar ohne Taschenrechner.

Ich selbst habe etwas bedauert, dass die realitätsbezogene Wahlteilaufgabe damit schon vorbei war. Hätte ich die Aufgabe vorher gesehen und einen Wunsch frei gehabt, hätte ich mir als Aufgabenteil c) den folgenden gewünscht:

     Malen Sie die Fläche unterhalb des Schaubilds mit Ihrer
     Lieblingsfarbe an.

Zum Abschluss, man kann es gar nicht oft genug sagen, noch einmal die Einschätzung von PISA-Schleicher:
  • Eines ist für mich aber klar: Die Richtung, in die sich die deutsche Abiturprüfung in Mathe entwickelt hat, ist eindeutig richtig.
Das muss wohl so sein, denn wenn es nicht so wäre, hieße es nicht Richtung, sondern Falschung. 

     Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, 
     gibt's einen, der die Sache regelt. 

Und je nach Schiff heißen die Kapitäne Westerwelle, Schettino oder eben Andreas Schleicher.


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