Donnerstag, 30. April 2020

Mathe.delta und Schülersprech

Zu den vielen Fehlern, die man in der Lehrerlaufbahn kennenlernt, gehört der folgende eher zu den seltenen, weil er bei den Lösungen eher am Ende auftritt und nur die besseren überhaupt so weit kommen: -a ist negativ, weil es ein Minuszeichen hat.

Ein verwandter Fehler, der viel öfter vorkommt, weil man ihn am Beginn von Aufgaben macht, ist derjenige, den die Autoren von Mathe.Delta 11/12 BW auf S. 55 vorexerzieren. Dort sollen die Schüler Funktionsterme und Schaubilder zuordnen, aber weil es eine orangene Aufgabe ist, steht die Lösung der Autoren gleich darunter (vermutlich will man sie so auf das künftige Abitur vorbereiten). Jedenfalls geht es um die Funktion f(x) = - 0,5x; die Argumentation der Autoren ist die folgende:

     Das negative Vorzeichen [ . . . ] bewirkt, dass der Graph an der
     x-Achse gespiegelt ist.

Woran kann man einem Graphen ansehen, dass er an der x-Achse gespiegelt worden ist? Wenn es ein Bild linksdrehender Milchsäuren wäre, könnte man was machen, aber so? Tatsächlich ist es ja andersrum: der Graph von g(x) =  0,5x ist der an der x-Achse gespiegelte Graph von f. Wobei man sicherlich noch dazufügen könnte, dass es der Graph von h(x) = -2ist, den man an x- und y-Achse gespiegelt hat. Für alle, die keine Ahnung haben, worum es geht: mit "an der x-Achse gespiegelt" meinen die Autoren, dass das Schaubild unterhalb der x-Achse liegt. Weil "richtige" ungespiegelte Schaubilder immer oberhalb der x-Achse liegen.

Einen ähnlich unprofessioneller Umgang mit der mathematischen Fachsprache findet man in der Aufgabe 10 auf Seite 20 (die ist blau, die müssen die Schüler selber machen):

        Gegeben sind die Funktion  f1(x) = (x+3)2 - 3 und f2(x) = -(x-2)2 + 2. 
       Bestimmen Sie alle Punkte, an denen die beiden Graphen dieselbe Steigung haben.

Weil alle viel sind, fange ich mal mit zwei Punkten an: im Scheitel (-3|-3) von  f1 und im Scheitel (2|2) von  f2  haben die beiden Graphen dieselbe Steigung 0. Natürlich, so gut kenne ich schwammige Formulierungen von Abituraufgaben, war das anders gemeint. Gemeint war, an welchen Stellen beide Graphen parallele Tangenten haben. Gefragt haben sie allerdings was anderes.

Auch die Merkregel für Scheitel von Parabeln auf Seite 10 gefällt mir nicht:

      Hat eine Parabel zwei Nullstellen, liegt der Scheitel in der Mitte der 
      beiden Nullstellen.

Hier stört mich schon die Gleichsetzung von Parabeln mit Funktionen der Form f(x) = ax2 + bx + c; Parabeln sind geometrische Objekte, nämlich Kegelschnitte, und lassen sich bei geeigneter Wahl des Koordinatensystems durch  Gleichungen f(x) = ax2 + bx + c beschreiben. Auffallen sollte einem der vielen Autoren dann aber doch, dass "in der Mitte der beiden Nullstellen" dann doch etwas arg flapsig formuliert ist. Was sie meinen, ist, dass die x-Koordinate des Scheitels in der Mitte der beiden Nullstellen liegt. Aber lassen wir das.

Wo es aber aufhört, lustig zu sein, ist auf Seite 12. Dort schreiben die Kasper, dass man die Graphen der Funktionen f(x) = x-n Hyperbeln nennt. Nein, das tut man nicht. Hyperbeln sind Kegelschnitte. Parabeln, Ellipsen und Kreise sind ebenfalls Kegelschnitte. Auch das Schaubild der Hyperbel y=1/x ist ein Kegelschnitt. Alle andern Schaubilder der Form (x) = x-n sind allerdings keine Kegelschnitte. Sicherlich könnten die Autoren jetzt die Ausrede geltend machen, sie hätten weder auf der Schule, noch auf der Uni gelernt, was ein Kegelschnitt ist, und bei Harry Potter hätten sie das auch nicht gelesen. Das lasse ich gelten. Aber dann, liebe Leute, dann hält man den Ball flach und schreibt kein Lehrbuch über Mathematik.

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