Dienstag, 2. April 2019

Bernoulli II

Die Schwammigkeit der modernen Schul-"Mathematik" (muss man das "Schul" inzwischen auch in Anführungszeichen setzen? Ich fürchte, man muss) ist, zugegeben,  ein Thema, das so lästig ist wie der Brext und wie dieser nie zu enden scheint. Aber was soll man machen außer seinen Schülern zu sagen, dass man als promovierter Mathematiker auch nicht in der Lage ist, anhand der "Definitionen" in den Schulbüchern die Fragen korrekt zu beantworten, die man im Abitur vorgesetzt bekommen könnte.

Eine dieser Fragen ist ein Klassiker: Liegt hier ein Bernoulli-Experiment vor?
 
       Ein Würfel wird dreimal geworfen und die Anzahl 
       der Sechsen notiert.

Die Aufgabe findet sich auf der Seite von Brinkmann, der in seiner aktiven Zeit unzählige Arbeiten und Übungsblätter zu Mathematik und Physik ins Netz gestellt hat und nach seiner Pensionierung einen schweren Unfall hatte - von meiner Seite aus die besten Genesungswünsche. In den Lösungen schreibt er:

        Es handelt sich um eine Bernoullikette der Länge n = 3. 
       Als Treffer bezeichnet man das Ereignis 6. 
       Die Trefferwahrscheinlichkeit ist in jeder Stufe gleich p = 1/6.

So kann man das sehen. In der Aufgabensammlung zum hilfsmittelfreien Teil des Abiturs in Berlin-Brandenburg steht die Aufgabe auf S. 29, die Lösung auf S. 41. Dort gilt das Experiment nicht als Bernoullikette.

Des Rätsels Lösung dürfte sein, dass die möglichen Ergebnisse des Experiments 0, 1, 2, 3 sind und es folglich mehr als zwei mögliche Ergebnisse gibt. Kann man natürlich machen: Fangfragen beim Abitur.

Dann kann man aber auch ernsthaft die Frage, ob

        Aus einer Urne mit drei weißen und sieben roten Kugeln 
        wird viermal, mit Zurücklegen, jeweils eine Kugel gezogen.
 
eine Bernoullikette ist, mit Nein beantworten: es ist ja nicht einmal gesagt, was die Zufallsvariable sein soll. Man könnte beispielsweise X die Anzahl aller Ziehungen zählen lassen, in dem einen die gezogene Kugel auf den rechten Fuß fällt. Weil sie auch auf den linken Fuß und bei den Physikkenntnissen der heutigen Didaktiker auch an die Decke fliegen kann, liegt keine Bernoullikette vor.

Sehr schön auch die folgende Aufgaben aus derselben Sammlung (von Brinkmann oder Berlin; bei Brinkmann taucht die Aufgabe in einer Klassenarbeit aus dem Jahre 2008 auf  (die Lösungen gibt es hier), den Autoren  Viola Adam und Mike Reblin der Berliner Sammlung (oder, wie sie sich selbst nennen, dem Team der CAS-Multiplikatoren) ist zwar copy und paste bekannt, die Technik des sauberen Zitierens dagegen nicht - tatsächlich beanspruchen sie den rechtlichen Schutz für ihr Plagiat, und wer weiß schon. ob ich mich beim Zitieren daraus strafbar gemacht habe):

       Das Glücksrad aus (e) wird so oft gedreht, bis die 3 
       erscheint, höchstens jedoch fünfmal.

Dass dies in BW nicht als Bernoullikette durchgeht, weil die Länge nicht festgelegt ist, habe ich schon das letzte mal bemerkt. Brinkmann jedenfalls hat das anders gesehen:

      Es handelt sich um eine Bernoullikette mit 
      nichtfestgelegter Länge.

So wie es aussieht, ist die korrekte Beantwortung von Abiturfragen in diesen Zeiten ein Zufallsexperiment. Ob dabei eine Bernoullikette vorliegt, vermag ich aber nicht zu sagen.

1 Kommentar:

  1. Hallo ...,
    "Plagiat" ist recht heftig. Ich lese gelegentlich Meldungen von Ihnen. Zufällig fand ich meinen Namen in einem Ihrer Kommentare. Bevor Sie jemanden an den Pranger stellen, sollten Sie unbedingt recherchieren. Die "Aufgabensammlung" ist eine Zusammenstellung/ein Katalog illustrierender Aufgaben von Lehrkräften für Lehrkräfte.Ein Team von 24 Lehrkräften hat Beiträge geleistet. Keine dieser Aufgaben ist derart außergewöhnlich, dass ein Urheberrecht notwendig erscheint. 08/15-Standardaufgaben müssen nicht mit Zitierhinweisen belegt werden. "Ein Würfel wird 3-mal geworfen,... " - tja wer weiß, wem diese geistige Leistung wirklich zuzuschreiben ist. Die Formulierung "Der Graph der Funktion y=2x+5 schneidet die x-Achse...." kann ich mir auch nicht patentieren lassen. Ich benutzte diese Formulierung bereits 1996 und veröffentlichte sie später im Rahmen einer Staatsexamensarbeit. Vor kurzem ertappte ich eine Kollegin, wie sie mich fast wörtlich zitierte, ohne meinen Namen zu nennen - unerhört.
    "Berliner Sammlung" ist leider auch falsch - Berlin hatte zu dem Zeitpunkt gar kein CAS-Abitur. Das Material erschien als Implementationsmaterial zum Brandenburger RLP 2012.
    Und: WIR beanspruchen natürlich keinen rechtlichen Schutz für UNSERE Aufgaben und Texte. Der Urheberechtshinweis ist ein Standardtext des LISUM, den ich persönlich für albern halte.
    Freundliche Grüße,
    M. Reblin

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