Montag, 27. Mai 2019

Früher MINT wagen!

Artikel über Bildung in Zeitschriften, egal ob in der Süddeutschen, im  Spiegel oder in der lokalen Presse, sind meist nur schwer zu ertragen. "Früher MINT wagen" in der Schwäbischen Zeitung ist da keine Ausnahme. Schon der erste Satz ist blanker Unsinn:

    Die Gleichung ist simpel: Wer sich für Naturwissenschaften 
    interessiert, so die Erfahrung, schlägt in seinem Leben eher 
    eine Karriere als Ingenieur oder Techniker ein.

Das, lieber Herr Schwarz, ist keine Gleichung, ebensowenig wie "wer Papst werden wird, sollte Theologie studieren" eine Gleichung ist. Für eine Gleichung braucht man zwei Dinge, die auf irgend eine Art und Weise gleich sind. Keine Gleichung also, sondern eine Binsenweisheit, und damit immerhin nicht ganz falsch. 

Dann aber kommt eine Professorin der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd zur Wort, also der Einrichtung, die jahrzehntelang das Schreiben nach Gehör gepredigt hat und, jedenfalls wenn Frau Eisenmann nicht zuhört, immer noch predigt. Man ahnt schon, worauf das hinausläuft, und es kommt, wie es kommen muss:

      Die Förderung von naturwissenschaftlichen Fächern darf 
      nicht erst in der achten oder neunten Klasse, sondern muss
      im Kindergarten und der Grundschule beginnen.
     
Ich habe nichts gegen Förderung von naturwissenschaftlichen Fächern, aber Kindergärten heißen aus einem ganz bestimmten Grund Kindergärten, nämlich aus demjenigen, dass er meist von Kindern besucht wird. Für meinen Teil wäre es genug Physik, wenn diese Kinder lernen würden, dass Dinge nach unten fallen, dass es mehr weh tut, wenn man auf der Straße hinfällt als wenn man das auf Gras macht, und genug Biologie, wenn sie eine Biene von einer Kuh unterscheiden können und wissen, dass die einen für Honig und die andern für Milch zuständig sind. 

Was mir dagegen fürchterlich auf die Nerven geht sind Leute, die predigen, dass man diesen Kindern, damit sie später in der Welt der Wirtschaft überlebensfähig sind (wenn ein Satz so los geht, lese ich eigentlich nicht mehr weiter), etwa Chinesisch oder Quantentheorie lernen müssen. Müssen sie nicht. Sie müssen im Sandkasten spielen, einen Ball durch die Gegend kicken, oder Bilder malen, für die sie sich 5 Jahre später schämen. Sie müssen hinfallen, wieder aufstehen, andern Kindern auf die Nerven gehen, und lernen wie man ein Spiel zu Ende spielt, ohne dass die halbe Runde in Tränen ausbricht. 

Was die Naturwissenschaften angeht: die sind nicht deswegen so unbeliebt, weil die heutigen Kinder im Kindergarten nicht in dieser Richtung gefördert werden (warum hat es früher genug Leute gegeben, die ein MINT-Fach studiert haben?), sondern weil durch
Schulzeitverkürzung und Akademisierungswahn wesentliche Teile des Physik- und Mathematikunterrichts gestrichen worden sind. Was man heute im Mathematikunterricht noch lernt (wie sich Raubvögel mit konstanter Geschwindigkeit auf Geraden bewegen oder wie zwei Züge in einem Tunnel, der von einer Geraden beschrieben wird, aneinander vorbei fahren), kann man zu nichts gebrauchen, und in der Physik ist der Großteil der Schüler, die man später auf irgendeine Hochschule schicken will, damit sie irgendwas mit Medien studieren können, bereits mit dem einfachsten Fall einer zusammengesetzten Bewegung überfordert, sodass außer dem freien Fall nicht arg viel mehr drankommt.

Dort liegt der Hase im Pfeffer: ohne ordentlichen Unterricht in Mathematik und Physik wird es nichts mit MINT-Studenten. Ganz anders der Schluss von Frau Prof.in Ladel:

     Der Grund ist so simpel wie die Gleichung zu Beginn: 
     „Je früher Kinder für diese Fächer begeistert werden, 
       umso leichter fällt es ihnen, sich damit intensiv und 
       gut auseinanderzusetzen."  

Ach so. Und wo sollen sie sich mit diesen Fächern intensiv und gut auseinandersetzen? In den kümmerlichen Resten des Physikunterrichts, den uns die professoralen Kollegen Frau Ladels aus den Erziehungswissenschaften an den Universitäten übrig  gelassen haben?

Was befähigt Frau  Ladel nun zu ihrem Schluss? Ihr Lebenslauf lässt darauf nur eine Antwort zu: nichts. Studiert hat sie Lehramt für Grund- und Hauptschule. Kein M, kein I, kein N und auch kein T. Anscheinend reicht das heute für eine Professur aus, jedenfalls wenn man von morgens bis abends das Lied singt, das die Politik gerne hört: Di-gi-ta-li-sie-rung. Kinder, die nachmittags und nachts an ihrem Smartphone kleben, müssen auch vormittags im Kindergarten und der Grundschule verkabelt werden:




    Die Digitalisierung und ihre Möglichkeiten haben ein großes 
    Potenzial – dieses müssen wir nutzen und sinnvoll in den 
    Unterricht integrieren.“ Deshalb setzt sie sich für eine verstärkte 
    Einbindung von digitalen Medien an den Schulen ein.

Das Potenzial müssen wir also sinnvoll in den Unterricht integrieren. Ich habe schon Schwierigkeiten damit, den Satz zu verstehen: wie werden Potenziale integriert? Ich vermute, dass der Satz nur eine Art Sammelbecken für gut klingende Schlagwörter  sein soll, bei dem niemand nachfragt, was er bedeuten soll. Warum man digitale Medien in den Unterricht integrieren muss, habe ich auch nicht verstanden. Fernsehen, Autofahren oder schlechte Musik gehören auch zur Lebenswelt der Schüler - müssen wir sie deswegen in den Unterricht integrieren? Ich habe beileibe nichts gegen digitale Medien im Unterricht - wenn sie gegenüber andern Techniken einen Vorteil bieten. Aber dass man sie benutzen muss, weil es sie gibt, ist Unsinn.

Und wenn man schon die mangelhafte Digitalisierung an deutschen Schulen beklagt: Wie wäre es dann mit einem Informatikunterricht, der diesen Namen verdient hat? Stattdessen lernt man an deutschen Schulen eigentlich nur, wie man mit US-amerikanischer Software (MS office etc.) umgeht. Anfixen nennt man das wohl.

2 Kommentare:

  1. Taschenrechner wurden auch angefixt.

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  2. Ich habe nichts gegen Taschenrechner oder CAS. Es ist nur so, dass ich aus gutem Grund erst mit dem Dreirad, dann mit dem Roller, dem Fahrrad und dem Traktor fahren gelernt habe, bevor ich mich ins Auto gesetzt habe.

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