Donnerstag, 16. Mai 2019

Herr schmeiß Hirn vom Himmel!

Auch das Abitur in Berlin ist dieses Jahr viel zu schwer gewesen. So klagt die Mathe-LK-Schülerin Larissa:

         Es sei eine Logarithmusfunktion zu bearbeiten gewesen, 
         die die Lehrer nur am Rande behandelt hätten.

Das ist nun schon arg frech. Wer wie ich unter einem Gedächtnis leidet, das sich nur die seltsamsten Dinge merken kann, der kann sich an eine Meldung aus den letzten Jahren erinnern, in der es schon einmal um Brandenburg und schon einmal um den natürlichen Logarithmus ging:

      Nach der schriftlichen Mathematik-Prüfung am 3. Mai hatten
      zahlreiche Lehrer und Schüler kritisiert, dass Fragen aus dem 
      Zentralabitur gar nicht im Unterricht behandelt worden waren. 
      Konkret ging es um Aufgaben zum natürlichen Logarithmus. 
      Das Ministerium bot rund 6.000 Schülern daraufhin an, die   
      Prüfung am 12. Juni wiederholen zu können. Rund 2.600 
      nahmen das Angebot an.

Wie heißt es so schön: Kein Mensch macht denselben Fehler zweimal. Er macht ihn drei Mal, vier Mal, fünf Mal . . .

Auf der andern Seite muss man konstatieren, dass es bei der Logarithmusfunktion ja nun nicht arg viel zu üben gibt. Die zwei Eigenschaften, die man vielleicht braucht, stehen in der Formelsammlung. 

Logarithmus hin oder her, die Abiturprüfung in Berlin war auch aus einem zweiten Grund viel zu schwer:

       Und es ist auch total ungewöhnlich, dass zwei binomische 
       Formeln in einer Funktionsgleichung drangekommen sind.      

Da muss ich ihr zustimmen. Binomische Formeln im Abitur, das geht gar nicht. Wie soll man denn ein duales Studium bei Penny ergattern, wenn einem die Abi-Note von zwei binomischen Formeln versaut wird? Aber schauen wir uns das corpus delicti einmal an.

    Gegeben ist die Funktion fk mit fk(x) = 8k(kx-1)2 (kx+1)2.

Die erste Aufgabe war, die drei Schnittpunkte mit den Koordinatenachsen zu bestimmen und damit das mitgelieferte Schaubild zu skalieren. Dazu, liebe Larissa aus dem Mathe-LK, braucht man nicht nur keine binomischen Formeln, sie sind geradezu hinderlich, denn einmal muss man nur x = 0 einsetzen, zum andern nach y=0 den Satz vom Nullprodukt anwenden und die Quadrate mit Wurzelziehen entsorgen.

     Die zweite Aufgabe war dann, das gebe ich zu, selbst für Berliner Verhältnisse etwas ungewöhnlich:

      Begründen Sie, dass  fk(x) = 8k(k2x2-1)2 gilt.
   
Hier musste man einfach abschreiben, was dasteht:

        fk(x) = 8k(kx-1)2 (kx+1)= 8k(k2x2-1)2  

Die ganz guten aus dem LK hätten vielleicht noch dazuschreiben können, dass dies die 3. binomische Formel ist.

Larissa ist mit ihrer Einschätzung, dass das Abitur in Berlin-Brandenburg aber sowas von viel zu schwer gewesen sei, aber echt, nicht allein. Schützenhilfe erhält sie von dem Mathe-Physik-Lehrer Hartmut Stäker, der für das Berliner Abitur unter Mithilfe der Musterlösung schlappe 15 Stunden gebraucht hat. Ich könnte jetzt böse sein und sagen, dass das für einen Beamten eine respektable Leistung darstellt. Bin ich aber nicht, daher stelle ich kurz und schmerzlos fest, dass jemand, der so langsam rechnet, nicht auch noch in der Bildzeitung damit angeben sollte. Schon gar nicht sollte er mit unbedachten Aussagen dokumentieren, dass er für seine Aufgabe als Zweitkorrektor beim diesjährigen Abitur gnadenlos überfordert ist:

       Auch tauchten in den Aufgaben Worte wie „Nullhypothese“ 
      oder „Entscheidungsregel“ auf, die vielen Schülern kaum 
      bekannt sein dürften. 

Ungefähr ähnlich kaum bekannt wie "Nullstelle" oder "binomische Formel", würde ich sagen. Meine Schülerinnen haben sich jedenfalls darüber beschwert, dass in ihren Aufgaben Wörter (nicht Worte - Deutsch kann er auch nicht) wie "Nullhypothese" oder "Entscheidungsregel" nicht vorgekommen sind. Das kann nachvollziehen, wer die Aufgaben aus BW gesehen hat: Kein natürlicher Logarithmus, keine Exponentialfunktion, kein eigentlich fast alles, und dann auch noch kein Hypothesentest. 

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