Inzwischen sind Lernmaschinen und programmierter Unterricht den Kinderschuhen
entwachsen und haben auch einige Kinderkrankheiten glücklich hinter sich
gebracht.
Ein gutes Jahrzehnt ist der programmierte Unterricht erst alt, aber schon ist
bei allen informierten Fachleuten unumstritten, daß er bereits in wenigen Jahren
eine pädagogische Revolution noch nicht dagewesenen Ausmaßes einleiten
wird. Noch vor 8 Jahren konnten zwei amerikanische Lehrer das gesetzliche
Verbot dieses "Kinderverderbens" fordern. Heute ist das bereits ein geschichtlicher Witz.
"Bei informierten Fachleuten unumstritten": plumper kann man kaum argumentieren. Die pädagogische Revolution nie dagewesenen Ausmaßes ist ausgeblieben; selbst die Sprachlabore, die in den 70ern und 80ern aus dem Boden gestampft wurden, kennen heute nur noch die ganz alten.
Noch vor wenigen Jahren als Zukunftsmusik in weite Ferne verlegt, unterrichten
Lehrmaschinen heute schon genauso Volksschüler in den Grundrechnungsarten,
wie sie Düsenjägerpiloten flugtechnische Spezialkenntnisse vermitteln und
Physikstudenten die Grundzüge der Quantenphysik.
Die einzigen Studenten, die glauben, sie könnten die Grundzüge der Quantenphysik von Lehrmaschinen lernen, sind vermutlich Studenten der Erziehungswissenschaften. Das bisschen, was die von Physik verstehen, kann man denen vermutlich schon mit einem Computer beibringen. Woher Kugemann die Idee hat, dass es damals Physikstudenten gegeben haben soll, die Quantenphysik von Lehrmaschinen gelernt haben, ist mir ein Rätsel. Ich vermute, er hat das einfach erfunden.
Nicht ohne Reiz ist die Tatsache, daß der programmierte Unterricht von
Psychologen entwickelt und populär gemacht wurde, daß Psychologen seine
Wirksamkeit bewiesen und in der Anfangszeit sogar Programme zusammenstellten,
daß Psychologen die wissenschaftliche Grundlage geliefert haben und dauernd
weitere Erkenntnisse beisteuern.
Bei Beweis der Wirksamkeit denkt man sofort an die moderne Bildungsforschung, die ebenfalls erstaunliche Dinge beweist. Manches davon steht schon bei Kugemann: Der Lernende und dessen Lernverhalten wird von der Lehrmaschine gesteuert, der Lernende wird von der Lehrmaschine motiviert, und das
Programm gestattet es den Lernenden, individuell zu arbeiten und das
Fortschreiten nach seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten einzurichten.
Brave New World, wie Huxley das genannt hat. Nichts davon ist wahr gewesen, nichts davon ist heute wahr. Jetzt könnte man meinen, dass Leute, die schon vor 50 Jahren komplett daneben gelegen haben, sich danach mit vorlauten Äußerungen etwas zurückhalten würden. Aber bei Psychologen und Erziehungswissenschaftlern läuft das anders: wer nichts kann, wird Leiter des Instituts für Lern-Innovation der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und wird sogar 2008 noch als Experte für elearning interviewt. Da murmelt er erst einmal was davon, dass es früher den Begriff des lebenslangen Lernens nicht gegeben hat und folgert daraus, dass es folglich auch lebenslanges Lernen nicht gegeben haben kann. Er verunglimpft die Schule als soziale Sortiermaschine und zeigt, dass er von Mathematik absolut keine Ahnung hat:
Als Mathematiklehrer führt man keinen Beweis mehr an der Tafel, sondern alle
Schüler, ausgestattet mit Laptop und W-Lan, recherchieren zum Thema im Internet.
Die neue Aufgabe des Lehrers besteht nicht mehr in der Vermittlung von
enzyklopädischem Wissen, sondern in der Erarbeitung von Kompetenzen,
Informationen zu bewerten.
Wenn ich noch einen Wunsch frei hätte, dann den: Dass Leute wie Herr Kugemann von Ärzten behandelt werden, die als Studenten kein Buch gelesen haben und einfach mal was ausprobieren, oder in Flugzeugen durch die Welt fliegen, die von solchen Ingenieuren gebaut worden sind.