Sonntag, 13. September 2020

Mathe.delta und die Stammfunktion

Die Einführung des Integrals kann man nicht schlechter machen als Mathe.delta (vielleicht doch - ich will gar nicht wissen, was youtube da so alles macht). Die Merkregel zur Stammfunktion auf S. 144 jedenfalls liest sich so:

    Eine Funktion F heißt Stammfunktion von f wenn gilt: F' = f.
    f(t) hat unendlich viele Stammfunktionen F + c (c ε R), 
    die sich nur in der Konstante c unterscheiden.

    Ist eine bestimmte Stammfunktion als Bestandsfunktion gesucht,
    so kann man c aus dem Anfangsbestand B(0) berechnen: c = B(0).

Es ist etwas schwer, Fehler zu zählen, wenn man sich einer solchen Puddingsprache bedient. Dennoch: Was ist hier alles falsch?

6 Kommentare:

  1. Statt "f(t)" muss da natürlich "f" stehen. Der zweite Satz sollte lauten: "Nicht jede Funktion f hat eine Stammfunktion (nicht einmal dann, wenn der Definitionsbereich von f ein offenes Intervall ist). FALLS f eine Stammfunktion F hat und der Definitionsbereich von f nicht die leere Menge ist, hat f unendlich viele Stammfunktionen: für jede reelle Konstante c ist auch F+c eine Stammfunktion von f. Umgekehrt gilt: Falls F und G Stammfunktionen von f sind und der Definitionsbereich von f ein Intervall ist, dann ist die Funktion F-G konstant."

    Offenbar haben die Autoren all das nicht verstanden. Für sie ist eben jeder Definitionsbereich ein nicht leeres Intervall, und jede Funktion darauf hat in ihren Augen eine Stammfunktion. Außerdem können sie nicht präzise formulieren (d.h. so, dass man für jede ihrer Aussagen zumindest entscheiden könnte, ob sie wahr bzw. falsch ist.) Allein Letzteres sollte sie eigentlich für das Verfassen eines Mathe-Schulbuchs disqualifizieren; aber hey, wir leben in modernen Zeiten, "Kompetenz" sollen heutzutage die Schüler haben, nicht die Didaktiker.

    Was ist eine "Bestandsfunktion"? Na ja, was auch immer: Der letzte Satz wird keinen Sinn ergeben oder falsch sein. (In "bestimmte" fehlt außerdem das "t".)

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  2. Der letzte Satz ist so zu verstehen: Ist f(t) etwa die Zuflussrate von Wasser in einen Tank in Liter pro Minute und ist der Bestand B(t) des Wassers im Tank gesucht, so ist die Konstante c in B(t) = F(t) + c, wo F irgendeine Stammunktion ist, durch c = B(0) gegeben.

    Richtig wäre natürlich c = B(0) - F(0), aber bekanntlich ist F(0) für alle anständigen Stammfunktionen ohenhin gleich 0.

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  3. (Die meisten) Bestandsfunktionen sind also unanständige Stammfunktionen. Das passt zu meiner Behauptung: Mit dieser Definition von "Bestandsfunktion" (und bei gutwilliger Interpretation der "Puddingsprache" der Autoren) ergibt der letzte Satz Sinn, ist aber falsch.

    Gab es vor der Merkregel auf S. 144 eigentlich eine ausführlichere Einführung des Begriffs "Stammfunktion"? D.h., war die Merkregel schon alles, oder ist sie nur eine misslungene Zusammenfassung einer halbwegs sinnvollen Diskussion?

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  4. Vor der Merkregel haben die Autoren die Stammfunktion von f(t) = 4t + 20 bestimmt (t in min und f(t) in Liter/min). Das Becken war zu Beginn leer, also muss F(0) = 0 und damit c = 0 sein. Hier liegt also eine anständige Stammfunktion vor. Sonst ist da nichts.

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  5. Ich hätte da eine formale Frage: Wenn zwei Funktionen, wie hier F'(x) und f(x), identisch sind: Darf man dann schreiben F'(x) = f(x) ?
    Das heißt doch eigentlich nur, daß F'(x) für jedes x im Definitionsbereich den gleichen Wert liefert wie f(x).

    Gibt es in der Mathematik kein Zeichen "ist identisch mit" ?

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    1. Wenn sie auf einem Intervall den gleichen Wert liefern, sind sie dort gleich. Wenn man auf manchen Gebieten sorgfältiger vorgehen muss, nimmt man das Symbol "ist identisch mit", ein Gleichheitszeichen mit drei Strichen.

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