Freitag, 15. Juli 2022

S'isch over

 Ich hatte im Dezember schon was zur Strahlensatzkatastrophe im Lambacher-Schweizer (BW) geschrieben; ich hab jetzt mal spaßeshalber nachgesehen, wie das 2004 gehandhabt worden ist. Da haben die Autoren einen Teil des Beweises von den Bayern übernommen (Barth et al - so gut waren Schulbücher in Mathematik davor nicht und werden es künftig nie wieder sein); da hat man den Strahlensatz für einen rationalen Faktor mittels Parkettierung und den Kongruenzsätzen bewiesen und dann per Stetigkeit auf alle reellen Streckfaktoren erweitert. Die Autoren in BW haben sich gedacht, dass sie die Geradentreue bei der zentrischen Streckung genau so beweisen wollen, haben dann aber statt der Kongruenzsätze  den Strahlensatz benutzt - den kennen sie ja. Und danach haben sie den Strahlensatz mit Hilfe der zentrischen Streckung bewiesen. Ein veritabler Zirkelschluss, der beweist, dass der Strahlensatz im Lambacher-Schweizer in diesem Jahrtausend noch nicht korrekt bewiesen worden ist.

Ich hab mich dann gefragt, wie das die Didaktiker in der Lehrerausbildung handhaben, Die einen lassen den Beweis der Geradentreue weg, weil er zu "aufwändig" sei, die andern gehen ohne Begründung nicht auf den Beweis ein. Und wenn der Strahlensatz mal aus Versehen bewiesen wird, dann nicht mit den Mitteln, die einem in der 9. Klasse  zur Verfügung stehen. Das ist einigermaßen erstaunlich, weil Didaktiker in Österreich und der Schweiz den Strahlensatz beweisen können. In Frankreich können das sogar die Schulbuchautoren. 

Was soll man dazu noch sagen? Ich habe jetzt fertig. Ich kapituliere. Es ist mir künftig wurscht, was Didaktiker  und Bildungsforscher von sich geben. Man kann gegen diese Leute nicht anstinken. Ich nicht, und andere auch nicht. Dass die OECD- und PISA-Hörigen das Bildungssystem ruiniert haben, weil sie es an das amerikanische System anpassen wollten und einer Akademikerrate von 50 % hinterhergerannt sind, beginnt sich jetzt zu rächen. Schreinereien schließen, weil sie keinen  Schreiner mehr finden, Flüge fallen aus, weil Personal fehlt, Wirtschaften öffnen nicht, weil keiner mehr bedienen will, und wer Handwerker haben will, braucht Geduld. Viel Geduld.

Immerhin steht heute in der Tageszeitung ein Bild der "Absolventinnen und Absolventen der Technikerschule aus dem Bereich Mechatronik". Eine Absolventin sucht man auf dem Foto allerdings vergeblich. 

Dann gibt es noch die woke-Faschisten, die überall und immer ihr Unwesen treiben. Die einem das Tragen von Rasta-Locken verbieten, weil es rassistisch ist (Fridays for Future), die schon mal etymologische Lügen erzählen, um zu erklären, warum der Begriff Mohr rassistisch sein soll und die, wenn sie wüssten, was Blues ist, vermutlich auch Clapton verbieten würden, Robert Johnson zu spielen. Aber bisher sind sie nur bis Gwen Stefani gekommen. Ich bin mal gespannt, wie viele Jahre wir noch haben, bevor sie anfangen, CDs zu verbrennen. Bücher sind diesmal sicher - die wissen vermutlich gar nicht, was ein Buch ist. Marta Kauffmann, Schöpferin der sitcom Friends, hat sich genötigt gesehen, ihrer Alma Mater 4 Mio Dollar zu spenden, weil bei Friends (das lief zwischen 1994 und 2004) kaum Schwarze, Schwule oder Transen mitgespielt haben. Immerhin sind die Macher der jüngsten Tatortfolgen sicher. Die kann man sich vor lauter politischer Korrektheit aber nicht mehr ansehen.

"Ich sitze nur da und sehe zu, wie die ganze Scheiße vorbeizieht", hat mein Namenskollege Lemmy Kilmister gesagt. So mache ich das ab jetzt auch. 

In diesem Sinne: Fare thee well.

18 Kommentare:

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  2. Dieter Osterholz16. Juli 2022 um 19:36

    Herr Lemmermeyer überschätzt notorisch die Bedeutung von Zahlen und Geometrie im Mathematik-Unterricht. Das diskriminiert Leute, die weder rechnen noch zeichnen können.

    Um bei der Art der Argumentation zu bleiben: Ich habe mein Großes Latinum ohne Ovid absolviert, woraus man problemlos schließen kann, daß er auch nicht so wichtig ist.

    Wir machen mit unseren Kindern genau das, was die Nazis mit den eroberten Ostvölkern vorhatten: Zählen bis 100 reicht völlig. Vielleicht noch Kenntnis der wichtigsten Steuergesetze.

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    1. "Herr Lemmermeyer überschätzt notorisch die Bedeutung von Zahlen und Geometrie im Mathematik-Unterricht. Das diskriminiert Leute, die weder rechnen noch zeichnen können."

      Worauf beziehen Sie sich mit diesem (wohl ironisch gemeinten) Kommentar?

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    2. Dieter Osterholz17. Juli 2022 um 10:28

      Natürlich ist das ironisch gemeint, ich beziehe mich wegen der Geometrie auf den obigen Beitrag und wegen der Bedeutung von (rationalen) Zahlen auf den vorigen. In beiden outet sich der Verfasser als übler Pedant (auch ironisch).

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    3. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  3. Dieter Osterholz16. Juli 2022 um 19:40

    Das Stochasitk-Buch von Barth und Haller ist immerhin so gut, daß es Krengel in seinem Standardwerk in das Literaturverzeichnis aufgenommen hat.

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  4. Nochmal: So schlimm scheint es ja nicht zu sein mit der angeblichen "Meinungsdiktatur". Sie dürfen und sollen nach wie vor auch Ihre (für mich geradezu absurde) Meinung kundtun, beklagen aber immer, dass dies heute nicht mehr möglich ist. Es scheint (auch für die von Ihnen genannten Gegenpositionen) nur noch Gut und Böse zu geben, egal ob Bildung, Politik, Religion...

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    1. Das schreibt er doch gar nicht. Das interpretieren Sie hinein. Wenigstens schreiben Sie im letzten Satz "scheint".

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  5. Dieter Osterholz17. Juli 2022 um 10:29

    So wie der Barth macht es mein alter Lambacher-Schweizer (Geometrie, Ausgabe A, Teil 2, 4. Auflage, DM 5,60) aus der 1. Hälfte der 60er Jahre des vorigen Jhdts. auch. Gleich im Anschluß werden dann übrigens noch harmonische Punkte und der Kreis des Apollonius behandelt.

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  6. -> Herr Menschen:
    Gerade in "Schulen mit Courage" wird jungen Menschen dreist vorgeschrieben, was sie zu sagen und zu denken haben.
    Ich kann mich erinnern, vor 45 Jahren in der gymansialen Oberstufe einen Aufsatz verfaßt zu haben, der die Beseitigung eines damaligen Generalbundesanwalts billigte und rechtfertigte mit dem Artikel 20 GG. Das in den 80ern. Ja, natürlich gab es ein maximales Bohei. 30 Jahre später erfuhr ich, daß alle "linken" Junglehrer mich von der Schule weisen wollten und ausgerechnet der prominent im Philologenverband präsente, F.J. Strauß- und Golo Mann - Anhänger und Lateinlehrer in der Lehrerkonferenz darauf beharrte, die Schule müsse jetzt für die Werte einstehen, die sie vermittle - und damit auch für die Meinungsfreiheit. Da ziehe ich nachträglich den Hut.
    Und nun stellen Sie sich vor, ein Schüler würde an einer modernen Schule der selbsternannten "Allianz der Anständigen" auch nur eine einzige Position der "AfD" vertreten ...
    Der verordnete Konformismus moderner Pädagogen führt uns in genau den Horror, vor dem diese die ihnen anvertrauten Schüler schützen wollen. Das "Engagement" einzelner "Aktivisten" an unseren Schulen nennt die Kolumnistin Anabel Schunke "gratismutig".
    Sie haben auch nicht verstehen wollen, was der Autor mMn. aufzeigen wollte: Die Welt, frei nach Wittgenstein, besteht nicht auch Dingen, sondern aus Zusammenhängen zwischen Dingen.
    Es geht darum, diese Zusammenhänge zu erkennen und zu verifizieren. Da ist es dann ziemlich doof, wenn man, über Umwege, einen Satz mit sich selbst beweist. Noch doofer ist es, wenn so etwas in einem Schulbuch zelebriert wird.


    Nicht mehr doof, sondern einfach nur tieftraurig ist es, wenn sich die wenigen Menschen, die zu präzisem mathematischen Denken und zu dessen Vermittlung fähig sind, frustriert aufgeben.

    Gestern, nach dem Lesen des Artikels, verspürte ich Halsschmerzen und vermutete zunächst, mir eine Erkältung zugezogen zu haben. Bis mir auffiel, daß ich geweint hatte.

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    1. "Sie haben auch nicht verstehen wollen, was der Autor mMn. aufzeigen wollte"

      Und sie haben mir nicht zu unterstellen, was ich verstehen oder nicht verstehen möchte.

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  7. Der obige Kommentar stammt vom mir und wurde unbeabsichtigt "anonym" eingestellt.

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  8. Willkommen im Club! Es ist immer gut zu erkennen, wann bei einer Sache Hopfen und Malz verloren ist... "„Erzürne nicht, setze dich ans Ufer des ruhigen Flusses und warte, bis die Leichen deiner Feinde vorbeitreiben" (chinesische Weisheit).

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  9. Die Sache mit den Rasta-Locken war offenbar kein Einzelfall. Die Berliner Zeitung meldete vorgestern (26.07.2022): "Konzert abgebrochen, weil weiße Musiker Dreadlocks trugen. Die Band Lauwarm spielte jamaikanische Reggae-Musik in einer Brasserie in Bern. Die Musiker sind weiß, Gäste fühlten sich unwohl. Der Veranstalter beendete das Konzert."

    Link: https://www.berliner-zeitung.de/news/rassismus-kulturelle-aneignung-lauwarm-konzert-abgebrochen-weil-weisse-musiker-dreadlocks-trugen-li.250683

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  12. Schade, dass es nicht mehr weitergeht. Die Analysen und Verrisse waren informativ und unterhaltsam. Vielleicht entschließt sich ja ein allseits bekannter ehemaliger Professor der FH Augsburg dazu, ein Schulbuch zu schreiben, das könnte wieder Leben in das Blog bringen.

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    1. Mal sehen. Es gibt in der Tat noch ein paar Dinge, die gesagt werden müssen, auch wenn man nichts ändert. Und wenn sie sonst niemand sagen will, werde ich das machen.

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