Montag, 26. Dezember 2022

DDD1 (Deutschland, deine Didaktiker)

Die Didaktik ist vielleicht die erfolgreichste Wissenschaft, die an deutschen Universitäten noch betrieben wird. Sie bekommt Finanzspritzen vom Bund, vom DFG, von den Ländern, und von den großen Digitalisten von Bertelsmann über die Telekom bis zu TI, und es gibt Professuren und Assistentenstellen noch und nöcher.

Wer wissen will, wie man an diese Futtertröge kommt und was man dazu können muss, könnte auf die Idee kommen, sich bei diesen Leuten mal umzusehen. Gesagt getan: Greifen wir uns also wahllos eine Vertreterin dieser Zunft heraus, etwa Prof. Dr. Karin Rolka von der Ruhr-Universität Bochum. Ihr Lebenslauf ist typisch für die heutigen Vertreter der Didaktik der Mathematik: Studium (in diesem Fall Mathematik und Französisch) bis zum ersten Staatsexamen, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Juniorprofessur, Professur. Schüler hat sie keine unterrichtet. 

"Wie kann sie dann gutes Lehren unterrichten?", mögen sich da manche fragen. Ein Denkfehler, wie Silja Rüedi, Prorektorin der PH Zürich, weiß: Wenn man von Schule, Schülern und dem Lehrerdasein keine Ahnung hat, dann bekommt man einen übergeordneten Blick. Vermutlich für das Wesentliche.

Was forscht man, wenn man nie unterrichtet hat? Nichts leichter als das. Man teilt Schülern oder Studenten Fragebogen aus und wertet sie aus. Im Artikel "Affective variables in the transition from school to university mathematics" beispielsweise untersucht Prof. Rolka zusammen mit Sebastian Geisler das Problem, dass von Studienanfängern in Mathematik 80% aufgeben oder das Fach wechseln (Stand 2012). Das ist in der Tat ein Problem. Zum Glück hat Deutschland Didaktiker und Didaktikerinnen, die solche Probleme untersuchen.  Prof. Dr. Karin Rolka hat das gemacht und herausgefunden, dass Studenten, die sich für das Fach interessieren, weniger oft aufgeben als solche, bei denen das nicht der Fall ist. Problem gelöst!

Eine ebenfalls von Frau Rolka untersuchte Frage ist, wie sich Hinz und Kunz (also Schüler) Wissenschaftler*innen vorstellen. Zusammen mit ihren Kolleginnen Ramona Hagenkötter, Valentina Nachtigall und Nikol Rummel hat sie herausgefunden, dass der Irrglaube, Wissenschaftler*innen trügen meist Brillen, unter  Schülern weit verbreitet ist. Witzig ist der Grund dafür; Weil die vermutlich viel lesen müssen! Heutige Schüler sind ja so was von gestern. Ebenfalls nett: Personen mit Bart werden verstärkt als mathematikaffin betrachtet. Was sind das für Personen, die Personen mit Bart? Bartende? Barttragende im selben (oder entgegengesetzten?) Sinne wie Menstruierende? Männer war früher - heute muss man schon aufpassen, was man sagt. 

A propos Nikol Rummel:  Die Seite der Uni Bochum weiß, dass Frau Prof. Dr. Nikol Rummel was kann:

             "Methodisch ist Nikol Rummel breit aufgestellt. So nutzt sie sowohl quantitative als auch qualitative Methoden".

Nein! Doch! Ohhhh! Auch Ramona Hagenkötter kann was, schließlich hat sie sich mit einer Bachelorettearbeit über Entwicklungspfade der Kreise in NRW vor und nach der Weltwirtschaftskrise 2008 und einer Masterarbeit über Zusammenhänge in Experimenten zum Thema Nachhaltigkeit entdecken in die Mathematikdidaktik hochgearbeitet. Und zu den Interessengebieten von Valentina Nachtigall gehören, wer hätte es gedacht, Schüler*innenvorstellungen über Wissenschaftler*innen.

Und weil Didaktiklehrstühle Kaderschmieden sind, sammelt auch Frau Rolka die Koryphäen des Gebiets. Wie zum Beispiel Nadine König.  Ich habe nichts gegen Nadine König. Oder gegen Frau Rolka. Ich habe etwas gegen das System, das diese Leute da hinspült, wo sie jetzt sind, und sie in den Augen unserer Lügenpresse Dschornalisten (als ich noch jung war, hat man das so ausgesprochen, dass die französische Herkunft des Wortes noch hörbar war; inzwischen ist es angliziert) zu Experten in Sachen Bildung macht. Lebenslauf Nadine König? Biddeschön:

  • Bachelor of Arts in Mathematik und Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum (Thema der Bachelorarbeit: Können Maschinen denken? Das Argument des chinesischen Zimmers gegen  den Funktionalismus)
  • Master of Education in Mathematik und Philosophie (mit Bildungswissenschaften) an der  Ruhr-Universität Bochum (Thema der Masterarbeit: Die moralische Relevanz von Freundschaft didaktisch aufbereitet am Beispiel von Alfred Döblins "Berlin Alexanderplatz")

Das hat noch nicht einmal ansatzweise etwas mit Mathematik zu tun. Keine Ahnung von Schülern, keine Ahnung von Mathematik: Qualifiziert!

Die Frage, die sich aufdrängt, ist die: Was verliert Deutschland auf wissenschaftlichem Gebiet, wenn es die Didaktik aufgibt?


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