Freitag, 30. Juli 2021

Klett zum letzten

Ein letztes Mal zu Kletts grausligem Machwerk. Schon letztes Mal haben sich die Autoren nicht entblödet, nach dem Abstand eines Storchs um 14:00 h zu einem anderen um 11:30 h zu fragen. Man will also nicht einmal mehr den Anschein erwecken, es könnte um ein reales Problem gehen. Das gilt auch für punktförmige Feen, die sich - man ahnt es schon - geradlinig und mit konstanter Geschwindigkeit durch Deutschland bewegen:

Auch hier scheint wichtig zu sein, dass t in Minuten gemessen wird, denn sonst stünde es ja nicht da. Vielleicht gehört diese Angabe ja aber auch zu einer ganz anderen Aufgabe?


Ich muss zugeben, dass ich keine Ahnung habe, wie man diese Aufgabe ohne zusätzliche Annahmen lösen soll. Eine Annahme, die sich aufdrängt, ist die, dass die Autoren keinen blassen Schimmer davon haben, was sie da eigentlich machen. 

Wichtig scheint ebenfalls zu sein, dass man sich einen punktförmigen Zeppelin vorstellen kann. Aus diesem Grunde gibt's ein Bildchen dazu:

Hier ist die Zeiteinheit nicht wichtig, sonst stünde sie wohl da. Auch die Längeneinheit sucht man vergeblich, ebenso wie einen Hinweis darauf, wo der Boden ist. Vielleicht gibt es aber auch keinen Boden - zumindest die Qualität der Bücher bei Klett und anderen Schulbuchverlagen wird ja neuerdings  auf einer nach unten offenen Skala gemessen.

Dass sich schneidende Geraden ohne Schnittpunkte auskommen können, ist auch so eine Neuheit:

Da die Stützvektoren hier keinerlei Rolle spielen, hätte man ja bei g und h den gleichen nehmen können und so vermieden, dass man sich blamiert. Aber das setzt die Fähigkeit zum Denken voraus. 

Die vielleicht grusligste Aufgabe aus einem heutigen Schulbuch in reality maths ist die folgende:


Ich kann mich dunkel daran erinnern, dass wir solche Aufgaben nicht in der Oberstufe, sondern in der Grundschule gerechnet haben. Und wir haben in der Regel, im Gegensatz zu den Autoren, das richtige Ergebnis erhalten.



Montag, 12. Juli 2021

Donnerstag, 8. Juli 2021

Zwei Flugzeuge fliegen geradlinig

 Ich kann diese Aufgaben über punktförmige Flugzeuge, die sich mit konstanter Geschwindigkeit geradlinig fortbewegen, schon lange nicht mehr sehen. Aber den Murks, den Klett mir andrehen will, kann ich mit Worten kaum beschreiben:


Schon der erste Satz ist sinnfrei: "Zwei Flugzeuge fliegen über Deutschland und starten zum gleichen Zeitpunkt."  Was denn nun? Fliegen sie oder starten sie erst noch? Für die Aufgabe spielt das keine Rolle, weil wir Abiturienten darauf trainieren, die Geradengleichungen abzuschreiben und den Schnittpunkt zu bestimmen, und zwar unabhängig davon, wie der Schwachsinn eingekleidet ist. Die Flugbahnen stehen da; wenn s und r die ganzen reellen Zahlen durchlaufen, können wir daraus schließen, dass diese Flugzeuge nie gestartet sind, weil sie seit unendlichen Zeiten auf ihren Geraden unterwegs sind. Da tun sich Fragen auf: Wer hat sie vor Anbeginn der Zeiten aufgetankt, und wie wahrscheinlich ist es, dass sie sich im Jahre 2021 in derselben Galaxis im selben Planetensystem und dann auch noch über Deutschland treffen?

Normalerweise kann man sich bei diesem Typ Aufgaben darauf verlassen, dass die xy-Ebene den Boden beschreibt, etwa die Ebene, auf der sich die Startbahn befindet. Davon haben sich die Aufgabensteller (alle drei sind Lehrer am Wilhelm-Hausentein​-Gymnasium, zwei davon propagieren die Unterrichtsmethode des flipped-classroom) frei gemacht, außer das erste Flugzeug fliegt zurück in die Vergangenheit.  Dass die Flugbahn des ersten Flugzeugs die angegebene Form hat, enthält keinerlei Information, weil man jede Gerade mit dieser Gleichung beschreiben kann, wenn man sein Koordinatensystem geeignet wählt. 

Wenn sich die Gleichungen auf dasselbe Koordinatensystem beziehen, kann man in der Tat nachprüfen, ob sie sich schneiden. Das haben die drei Lehrer auch hingekriegt: s = 3 und t = 0. Die Flugbahnen kreuzen sich also. Und jetzt sollen wir prüfen, ob die Gefahr einer Kollision besteht. Natürlich besteht die, weil praktisch immer mehr als zwei Flugzeuge den deutschen Himmel durchfliegen und wir nur die Bahnen von zweien kennen. Gehen wir also davon aus, dass die beiden Flugzeuge gemeint sind. Die Lösung der Autoren ist einfach und klar: Weil die Flugzeuge den Schnittpunkt zu unterschiedlichen Zeiten durchfliegen (s = 3 und t = 0), besteht keine Kollisionsgefahr. 

Auf die Frage, wie doof man sein muss, um so etwas schreiben zu können, habe ich noch keine Antwort gefunden. Wir wissen nicht, ob die Längeneinheit km oder m oder mm sind, ob die Zeiten in Sekunden oder Millisekunden gemessen werden, ja nicht einmal, ob s und t dieselbe Einheit haben oder ob s=0 und t=0 denselben Zeitpunkt bedeuten. Es ist ja angesichts der Angabe, dass die beiden Flugzeuge zum gleichen Zeitpunkt starten, fast schon naheliegend, dass s = 3-t ist; allerdings würden die Flugzeuge dann auch am gleichen Ort starten. Für Flugzeuge im modernen Mathematikunterricht ist das vermutlich kein Problem.

Vielleicht ist der realitätsbezogene Unterricht ja doch das, was der Name suggeriert. Ein reality star ist ja auch kein Star in der Realität, und eine reality show enthält vieles, aber eben nichts aus der Welt, wie wir sie kennen. Man könnte das Schulfach, das immer noch den Namen Mathematik trägt, vielleicht demnächst in reality maths umtaufen. Klingt sexy und trifft den Nagel auf den Kopf.