Samstag, 21. Januar 2023

Noch 'ne Expertin

Die Relativitätstheorie Einsteins ist, sobald man ein wenig über "Alles ist relativ" hinausgehen möchte, nicht ganz einfach zu erklären. Carla Cederbaum hat den Lehrpreis der Uni Tübingen und den Manfred Fuchs-Preis der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Heidelberg gewonnen und ist Professorin für mathematische Relativitätstheorie.  Wer jetzt glaubt, das prädestiniere sie dafür, dem Volk der Dichter und Denker die Grundideen der Relativitätstheorie zu vermitteln, wird durch ihren Vortrag "Bedeutung und Grenzen des Relativen - Taste of Science" eines Besseren belehrt. 

In diesem Vortrag, den Sie nicht aus dem Stegreif gehalten, sondern dafür Folien vorbereitet hat, geht es zunächst um den Begriff der Gleichzeitigkeit in der speziellen Relativitätstheorie. Sie beginnt damit, einen "intuitiven" Gleichzeitigkeitsbegriff zu erklären, und zwar etwas verschwurbelt:

   Wenn ich am Berliner Dom stehend

   mit Dir telefoniere,

                             der Du am Tübinger Schloss

                                                   spazieren gehst

   können wir getrost davon ausgehen,

   dass dies für Dich und mich

                                                      "gleichzeitig"

                                                             geschieht.

Nun gut. Wer mit poetry slams groß geworden ist, redet heute vielleicht so.  Wobei man sich fragen sollte, was denn hier gleichzeitig stattfindet. Das Telefonat? Frage und Antwort? Solche Schlampereien kann man sich weder in der Physik, noch in der Lehre leisten. 

Dann geht sie auf die Annahmen ein, die man dabei macht:

  • Gleichzeitigkeit ist unabhängig von der Person des Beobachters (Marsmensch, Du, ich)

Hier fängt es an, seltsam zu werden. Ich hätte angenommen, dass intuitive Gleichzeitigkeit unabhängig vom Beobachter ist; sie dagegen spricht von der "Person des Beobachters", als ob jemand der Meinung wäre, Gleichzeitigkeit würde vom Geschlecht oder der Hautfarbe des Beobachters abhängen. 

  • Gleichzeitigkeit ist unabhängig von der Position des Beobachters
  • Gleichzeitigkeit ist unabhängig von der Bewegung des Beobachters

Dann soll es auch noch Annahmen über die Messung der Zeit geben: 

 Zeit wird gemessen mit einer beliebigen Uhr, unabhängig von

    •  Ort bzw. Position

            (absolut/relativ zueinander)

    •  und Bewegungszustand 

           (absolut/relativ zueinander) 

Um zu klären, ob diese Annahmen stimmen, bringt sie ein zweites Beispiel, das sich vom ersten nicht wesentlich unterscheidet.

   Wenn ich auf dem Mond stehend

   mit Dir via Laserpulsen kommuniziere,

                                  der Du auf der Erde

                                        spazieren gehst,

   können wir getrost davon ausgehen,

   dass dies für Dich und mich

                                            "gleichzeitig"

                                                geschieht?

 Gilt dies unabhängig von der Person des Beobachters?

Jetzt erklärt uns Frau Cederbaum, wie sie, Du und ein Marsmensch dies wahrnimmt.

  • Marsmensch: Beide schießen gleichzeitig den Laserpuls ab und erhalten beide später, aber wieder gleichzeitig, den Laserpuls des anderen.
  • Meine Sicht: Ich schieße einen Laserpuls ab und erhalte Deinen Laserpuls später.

und fügt hinzu: also nicht gleichzeitig!".

Hier wird klar, dass sie nicht einmal das von ihr konstruierte Beispiel verstanden hat. Auch der Marsmensch sieht nicht, dass Cederbaum, wenn sie den Laserpuls abschießt, gleichzeitig Deinen Laserpuls erhält.

  • Du schießt Deinen Laserpuls ab und erhältst meinen Laserpuls später.

"Du hast also nochmal eine andere Sicht auf die Reihenfolge, Gleichzeitigkeit oder Nicht-Gleichzeitigkeit der Ereignisse". 

Jetzt ist sie ganz verwirrt. Wenn zwei Fußballspieler sich gleichzeitig je einen Ball zuschießen, dann schießt der  eine, bevor er den Ball des anderen erhält. Das hat mit dem Problem der Gleichzeitigkeit in der Relativitätstheorie überhaupt nichts zu tun, Marsmensch hin oder her.

Das eigentliche Hauptproblem ist allerdings, dass Frau Cederbaum zwar sagt, die beiden Laserpulse würden gleichzeitig abgeschossen, aber gar nicht definiert, was "gleichzeitig" hier bedeuten soll. Um das zu tun, muss man die Uhren der Beobachter synchronisieren - das kann man, wenn man des verstehenden Lesens mächtig ist, bei Einstein nachlesen. 

Jedenfalls glaubt sie, aus ihrem Missverständnis schließen zu dürfen, dass Gleichzeitigkeit zwar nicht von der Person des Beobachters, wohl aber von seiner Position abhängig ist. Diese Folgerung allerdings, und das ist ein Kunststück, widerspricht sowohl der Newtonschen Mechanik, als auch der speziellen Relativitätstheorie.

Das Geschwurbel von der absoluten Kausalität nervt auch etwas, weil sie weder sagt, was sie mit Kausalität meint, noch was die Aussage, die Kausalität sei unabhängig von der Position des Beobachters, eigentlich bedeuten soll. Für jemand, der einen  Lehrpreis gewonnen hat, hat sie in 2 Minuten ein Maximum an Verwirrtheit erzeugt, und das bei jemand, der mit der Relativität vertraut ist.  Der verwirrte Prediger im  Leben des Brian hätte das nicht besser hinbekommen.

Aber es kommt noch besser: Als nächstes wird die Abhängigkeit der Gleichzeitigkeit von der Bewegung des Beobachters erklärt. Würde Frau Cederbaum ihre eigenen  Schlussfolgerungen verstehen, könnte sie sich diesen Teil sparen: Wenn Gleichzeitigkeit von der Position abhängt, dann natürlich auch von der Bewegung, weil sich die Position verändert, wenn man sich bewegt.

Die Erklärung jedenfalls ist wie alles andere, was Frau Cederbaum bisher gesagt hat, Unsinn. Sie macht sich nicht einmal mehr die Mühe, den Zuhörern erklären zu wollen, wie die Zeiträume zwischen den Laserpulsen mit Gleichzeitigkeit zusammenhängen sollen. Irgendwie klingt das nach Dopplereffekt, der aber klassisch ist und mit Gleichzeitigkeit wenig zu tun hat.

Dann kommt der ganze Rest in einem Satz: Auf ähnliche Weise kann man erklären, dass Längen ebenso abhängig von der Geschwindigkeit sind wie zeitliche Dauer und die Geschwindigkeit (das letztere ist in Carlas Welt natürlich banal: Wenn ich am Bahnsteig einen Zug vorbeifahren sehe, hat er eine andere Geschwindigkeit als wenn ich mitfahre. Mit Relativität und Einstein hat das aber alles nichts zu tun). Dass sie "zeitliche Dilation" statt "zeitliche Dilatation" sagt: sei's drum.

Wollte man die Sache richtig erklären, muss man zu Beginn sagen, was ein Inertialsystem ist, wie man Uhren in verschiedenen Inertialsystemen synchronisiert, und dass aus der Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit folgt, dass Gleichzeitigkeit vom Bewegungszustand der Beobachter abhängt. Was Frau Cederbaum hier abliefert ist wie wenn ein Schüler durch  10 Minuten googeln von einem Laien zum Experten wird. Selbst die unzähligen Publikationen, in denen pensionierte Ingenieure nachzuweisen versuchen, dass Einstein nicht recht hatte, sind wissenschaftlich auf einem höheren Niveau als dieser Vortrag, aus dem man nur eins lernen kann: Dass man in Deutschland heutzutage eine Professur für mathematische Relativitätstheorie bekommen kann, ohne auch nur die Grundbegriffe der Einsteinschen Arbeit aus dem Jahre 1905 verstanden zu haben.

Es ist schon richtig, dass man bei der mathematischen Behandlung der allgemeinen Relativitätstheorie die spezielle Relativitätstheorie nicht wirklich verstanden haben muss, weil deren Aussagen über die zugrunde gelegte Raumzeit sozusagen im mathematischen Hintergrund mitlaufen. Ein  Trauerspiel ist es dennoch, wenn man als Expertin auf dem Gebiet der Relativitätstheorie deren Grundlagen nie verstanden hat.

Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde: Ich kann den ganzen Gender-und-Diversity-Professuren langsam etwas abgewinnen. Manche Leute sind da einfach sehr gut aufgehoben.

Donnerstag, 19. Januar 2023

Digitalexpertin

 Wenn man eine neue Uni gründet, sucht man sich Experten. Die guten Leute haben in der Regel bereits gute Jobs, also muss man vielleicht bereit sein, bei der Qualität einige Abstriche zu machen. Seit einem Jahr, so habe ich gelesen, gibt es die Technische Universität Nürnberg.  Gründungsvizepräsidentin ist Digital-Expertin Isa Jahnke. Digital-Expertin kann man unterschreiben; auf ihrem Blog schreibt sie:

Now, you also find me on Scholar.Social  https://scholar.social/public ,  https://scholar.social/about with  my user name  isaja@scholar.social - joind April 27, 2022. 

I am still on Twitter (isaja), Linkedin (isajahnke) and Instagram (isajahnke2022 - new!) 

Professoren, die so viel Zeit haben, um dieselbe in den asozialen Medien totzuschlagen, haben in der Regel nicht viel auf dem Kasten. Frau Prof. Jahnke ist jedenfalls keine Ausnahme von dieser Regel, wie man an einem einzigen Satz ablesen kann, den sie in einem Interview von sich gegeben hat, in dem sie die Vorzüge digitaler Bildung lobt (Deutschland, so liest man da einmal mehr, hinkt dem Rest der Welt 10 Jahre hinterher):

Damit werden laut Jahnke mit neuen Formaten ganz neue Lernorte denkbar, etwa in der Warteschlange beim Bäcker oder in der Bahn.

 Erstens: Wer glaubt, Kinder würde in der Wartseschlange beim Bäcker ihr Handy zücken und lernen, hat keine Kinder, hat keine Kinder unterrichtet und kennt Pubertiere nicht einmal vom Hörensagen. 

Zweitens: Studiert habende, die meinen, die Warteschlange beim Bäcker sei der richtige Ort, um nachhaltig zu lernen, sollten nicht auf Stellen berufen werden, von denen man irgendetwas über Lernen oder Lehren in die Landschaft krähen darf oder von der Presse gar als Expertin wahrgenommen wird. Aber genau das wird in Deutschland gemacht:

Prof. Dr. Isa Jahnke ist die treibende Kraft hinter dem Aufbau des Lehrens und Lernens an der TU Nürnberg. 

Na dann gute Nacht. 

Freitag, 13. Januar 2023

Zu blass

 Die Grünen in Thüringen haben ihren Justizminister entlassen lassen, weil er ihnen "zu blass" war (und dummerweiße dummerweise ein Mann ist), und durch eine schwarze Frau ersetzt. 

Das kann man nicht erfinden.