Donnerstag, 16. März 2023

Die KMK kreiste . . .

. . .  und gebar eine Maus. Ja, ich weiß: kreißte. Aber kreisen passt besser zur Kultusministerkonferenz. Um das Abitur vergleichbarer zu machen, scheut sie keine Kosten und Mühen. So kehrt jetzt peu a peu ganz Germanien zum Zustand vor der G8-Reform zurück. Ganz Germanien? Nein! Ein von unbeugsamen Schwaben bevölkertes Bundesland hört nicht auf, den G9ern Widerstand zu leisten. Darauf hat die KMK keinen Einfluss, schließlich kann man Ministerpräsidenten etwas weniger vorschreiben als popeligen Lehrern. 

Lehrern dagegen kann man jederzeit sagen, was sie bisher falsch gemacht haben und zukünftig richtig machen sollen. Jedenfalls hat die KMK heute Köpfe mit Nägeln gemacht. Oder so ähnlich. Wie man der  Presse entnehmen kann, scheint das Hauptproblem bei der Vergleichbarkeit von Abiturnoten gewesen zu sein, dass Lehrer die schriftliche Leistung unterschiedlich stark gewertet haben. Damit soll ab 2027 Schluss sein: Im Leistungsfach werden pro Halbjahr eine oder zwei Klausuren geschrieben (im 4. Halbjahr eine oder keine), und wenn zwei geschrieben werden, gehen diese zu 50 % in die Halbjahresnote ein, bei einer Klausur sind es 30 % (bei keiner Klausur, das werden die Mathematiklehrer unter den Lesern bestätigen können, werden es etwa 0 % sein). Wo die andern 50 - 70% der Note herkommen sollen, sagen sie uns noch nicht. 

Es wird Zeit, sich einen anständigen Beruf zu suchen.



Montag, 6. März 2023

Bildung für nachhaltige Entwicklung

Die Bildung für nachhaltige Entwicklung geht auf einen UNESCO-Beschluss zurück und wird die nächsten Jahre in  Deutschland, aber nicht nur da, umgesetzt. Das wird zu Änderungen in den Abiturprüfungen ab 2025 führen. Beispielsweise werden dann im Aufgabenpool des IQB (wo sonst?) solche Aufgaben zu finden sein:



Das IQB kann auch erklären, was die Schüler Lernenden dabei tun:




Schön. Hab ich schon gesagt, zu welchem Fach diese Aufgaben gehört? Nein? Damit man besser raten kann, habe ich ein zweites Beispiel:

Das sind zwei Beispiele, wie ab 2025 die Kompetenz "Bewerten" im Physik-Abitur BW abgeprüft werden soll. Da muss man erst mal draufkommen. Mehr Beispiele findet man auf der IQB-Seite, wenn man das Kästchen Bewertungskompetenz 7 anklickt. Neben der Sachkompetenz (also der Physik des letzten Jahrhunderts) gibt es jetzt Erkenntnisgewinnungskompetenz, Kommunikationskompetenz und eben Bewertungskompetenz.

Auch ich finde es wichtig, Mädchen für MINT-Fächer zu begeistern. Aber wenn man das nur schafft, indem man die Physik entmathematisiert und dann mit ein bisschen Umwelt, Barbie und Einhörnern anmalt, dann tut man weder den Mädchen, noch der Physik einen Gefallen, sondern ruiniert den Bildungsstandort Deutschland. Ich hätte eigentlich nicht geglaubt, dass das überhaupt noch möglich ist.

Sonntag, 5. März 2023

Schule neu denken

In der Vergangenheit habe ich die Bildungspolitik in BW während des letzten Jahrzehnts damit verteidigt, dass der größte Blödsinn entweder noch von Frau Schavan zu verantworten war (Abschaffung LK, Einführung G8 und GTR) oder von Einrichtungen wie der KMK oder dem IQB übernommen wurden. Damit ist jetzt wohl Schluss. Denn: Wir müssen Schule neu denken.

Das müssen wir nicht erst seit heute. 2017 hat die BILD-Zeitung die Schule neu gedacht.

  • Daten-Brillen für Virtual Reality (VR) ermöglichen Exkursionen in den Dschungel, die Tiefsee oder historische Zeiten
  • Haben die Schüler die Lernstationen absolviert, können sie auf Sofas und Sitzsäcken lümmeln, relaxen und Kraft tanken
  • Handys sind die neuen Bücher!
  • Alle Schüler gehören auf eine Schule!
  • Schulfächer gehören abgeschafft!

Natürlich haben Sie dabei Experten befragt:

  • Bildungsexperte Hurrelmann: „Lehrer müssen vom Pauker zum Trainer werden: Sie geben Vorgaben, überwachen die lernende Schülerschaft und greifen nur ein, wenn es nötig wird.“
  • „Hunderte von Stunden verbringen viele Schüler und Lehrer jährlich in Räumen, die erschweren, was eigentlich ermöglicht werden soll: gut zu lehren und zu lernen“, sagt der Pädagoge Joachim Kahlert von der Uni München. Der Forscher hat an einer bayerischen Grundschule den idealen Klassenraum konzipiert. Ergebnis nach vielen Tests: Dreieckige Tische, warme Farben, Pflanzen, viel Tageslicht und Raumtrenner, die je nach Lerninhalt eingesetzt und schnell umgebaut werden können.
Dreieckige Tische sind also der Schlüssel zur Qualität im Bildungswesen.

Auch die FDP will die Schule neu denken:
  • Nur 26,2 % unserer Schülerinnen und Schüler des Sekundarbereichs I haben Zugang zu WLAN
  • Um unseren Kindern die besten Zukunftschancen zu ermöglichen, brauchen wir mehr digitale Bildung.
Digitale Bildung mit einem analogen Gehirn. Mehr Optimismus!

Und jetzt denkt die Landeschefin der Grünen, Lena Schwelling, die Schule neu. An G8 will sie im Gegensatz zu den Nachbarländern festhalten. Zwar gibt es "zu viel Unterrichtsstoff", aber dieses Problem löst man nicht durch Rückkehr zu G9, sondern durch Entrümpelung der Lehrpläne:
  • Wir müssen Lehrpläne entrümpeln und weniger Faktenwissen pauken lassen, das ohnehin auf dem Smartphone verfügbar ist.
Und wer nichts weiß, muss alles glauben, was auf dem Smartphone an Faktenwissen verfügbar ist. Das ist eine ganze Menge. 
  • Vieles, was die Gemeinschaftsschulen heute machen, bewährt sich. Das müssen wir auf andere Schularten übertragen.
Wie man dem Bericht über die Vergleichsarbeiten von 2022 entnehmen kann, ist das richtig. Jedenfalls wenn das Ziel die Entrümpelung der Lehrpläne ist:

Achtklässler in BW verfehlen laut den jüngsten Vergleichsarbeiten häufig Mindeststandards in Rechtschreibung und im Rechnen. Besonders auffällig sind die Gemeinschaftsschulen.

Rechtschreibung und Rechnen wird überbewertet. Wozu hat man Smartphones.

Frau Schwelling muss dabei keine Expertin fragen, sie ist selbst eine. Abitur auf der Waldorfschule, Studium von Germanistik und Geschichte, danach hat sie in der Stabstelle für Digitalisierung beim öffentlich-rechtlichen IT-Unternehmen Komm.ONE gearbeitet. Man fragt sich, ob sie in ihrem Germanistikstudium etwas über IT gelernt hat, aber wenn man sich in Erinnerung ruft, dass Komm.ONE das Unternehmen ist, das die eine Woche vor Einführung wegen technischer Probleme abgeschaffte digitale Bildungsplattform Ella zu verantworten hat, dann ahnt man, dass die Antwort auf diese Frage wohl "Nein" heißt. Danach hat sie in einem Zweitstudium einen Master (heißt das nicht Mistress?) in irgendwas mit Verwaltung gemacht. Weil Faktenwissen plötzlich nützlich ist, wenn man OB von Ulm werden will.


Peter Roquette

Peter Roquette (* 8.10.1927 Königsberg, † 24.2.2023 Heidelberg).

R.I.P.