Mittwoch, 7. Juni 2023

Dodis

 Weil mich unlängst jemand gefragt hat, ob in dem Buch "Algebra und Funktionen" von Prof. Dodi Bärbel Barzel, Dodi Matthias Glade (promoviert bei Prediger) und Dodi Marcel Klinger noch weitere lustige Sachen stünden (eine solche habe ich hier aufgezählt), will ich mich noch ein wenig mit diesem Buch befassen. 

Sobald die Autoren die Grundschulmathematik hinter sich lassen, wird es glitschig. Definitionsmenge und Wertebereich von Polynomen und Potenzfunktionen bilden da keine Ausnahme. Auf Seite 205 findet man folgendes schöne Bildchen:


Hier sind drei Fehler versteckt. Auf den ersten Blick könnte man meinen, es wären die folgenden:

  1. Offenbar sind die Schaubilder vertauscht. 
  2. Die Wertemenge jeder reellwertigen Funktion ist eine Teilmenge der reellen Zahlen; die Autoren meinen natürlich, dass die Wertemenge eine echte Teilmenge ist.
  3. Den Wertebereich durch die Variable x auszudrücken ist vielleicht kein Fehler, aber ein Hinweis darauf, wo die Autoren der diesjährigen Abituraufgaben Mathematik "studiert" haben.
  4. Das Minimum der Funktion vierten Grades hat als x-Koordinate die reelle Nullstelle des Polynoms \(f'(x) = 12x^3 + 15x^2 + 1\). Wenn man Algebra kann, sieht man schnell, dass \(x = -1,3\) keine Nullstelle von \(f'\) sein kann. Rationale Nullstellen haben nämlich höchstens den Koeffizienten 12 von \(x^3\) als Nenner. Wer noch mehr Algebra kann, der sieht, dass das Polynom \(g(x) = x^3 \cdot f'(\frac1x) =  x^3 + 15x + 12\) Eisensteinsch für \( p = 3 \)  und daher irreduzibel ist, also keine rationale Nullstelle haben kann. Tatsächlich ist \(x \approx -1.299358 \ldots \), und insbesondere liegt \(y = 1,28\) nicht im Wertebereich.
Gut, das sind Fehler, aber es sind lässliche Fehler. Die drei großen Fehler, die hier versteckt sind, sind die drei Doktortitel der Autoren. Wer vergisst, ein Zitat mit Fußnote und Verweis korrekt zu kennzeichnen, verliert seinen Doktortitel. Wer ihn sich in den Erziehungswissenschaften erschlichen hat, darf ihn behalten. 

Der Fundamentalsatz der Algebra wird tatsächlich formuliert (Polynome vom Grad n haben höchstens n Nullstellen), und er wird später dahingehend verschärft, dass man jedes Polynom mit reellen Koeffizienten in lineare und (irreduzible) quadratische Faktoren zerlegen kann. Herzallerliebst ist allerdings, wie die Autoren die Faktoren zählen:


Das kubische Polynom  \(x^3 + x = x(x^2+1) \) hat also, wenn man Dodis zählen lässt, drei Faktoren. Ist wahrscheinlich höhere Algebra. Erstaunlich auch, dass in einem Buch über Algebra und Funktionen die komplexen Zahlen noch nicht einmal am Rande erwähnt werden. 

Dann geht es um Umkehrfunktionen von Polynomfunktionen. Da muss man natürlich aufpassen:

Man muss den Definitionsbereich der Nullfunktion schon sehr arg einschränken, wenn man sie injektiv machen will. Überhaupt verleitet der Verzicht auf jegliche Beweise etwas zum Schwafeln:

Da muss man schon gut im Raten sein, wenn man herausfinden will, was die Autoren da gemeint haben könnten.

Das nächste Kapitel dreht sich um Exponentialfunktionen \(f(x) = a^x \), und auch hier kann der Laie was lernen und der Fachmann wundert sich. Oder andersrum. Wiewohl in diesem Buch fast gar nichts bewiesen wird, machen die Autoren im Falle der Monotonie von Exponentialfunktionen eine Ausnahme. Man ahnt, dass das keine gute Idee ist:

Die Monotonie wird also für \(a > 1\) auf die Frage \(a^c > 1\) zurückgeführt, und dann wird rückbesonnen. Dass die Zahl \(\frac14\), die zwischen 0 und 1 liegt, beim Potenzieren mit der positiven Zahl \( \frac12 \) kleiner wird, hätte ich nicht gedacht. Aber wer zwei Faktoren als drei zählen kann, kann auch kleiner so definieren, dass die Aussage richtig bleibt. 

Eine Anwendung der Exponentialfunktion aus der Lebenswelt der Schüler und Schülerinnen ist das Falten von Papier (nimm das, IPad!). 
Mein Gott - glauben die das wirklich? Jeder Depp hat bei 7- oder 8-maligem Falten an ein Blatt Papier und nicht an einen 5 km langen Papierstreifen gedacht. Was das Universum hier zu suchen hat, versteht auch niemand. Aber es ist schön, es mal erwähnt zu haben.

Ganz zum Schluss darf man in einem Test überprüfen, ob man jetzt genug Algebra gelernt hat, um in Didaktik promovieren zu können. Da darf es dann auch mal schwierig werden:
Gut, dass es auf der Homepage der Autorin Lösungen gibt. Die Funktion zu Situation 1 ist eine Funktion mit den Werten "wach" und "müde"; das ist die erste nicht reellwertige Funktion im Buch:


Und dazu fällt mir dann nichts mehr ein.














5 Kommentare:

  1. Gibt es einen speziellen (offiziellen) Grund, warum Lehramtsstudenten ihr Fachvorlesungen bei Didaktikern hören? Bei mir (vor ca 10 Jahren) lief es so, dass ich alle Mathevorlesungen (abgesehen von Didaktikveranstaltungen) entweder einfach mit den Vollblutmathematikstudenten gehört habe oder, wenn es extra Veranstaltungen für Lehramtler gab, sie trotzdem von "puren" Matheprofs gehalten wurden.

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  2. Wenn man die Wahl hat, wählt man meist den einfachsten Weg.

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    1. Wer wählt hier den einfachsten Weg?

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    2. Studenten. Viele Lehrämtler, so hört man, wählen Mathe nicht, weil ihnen das Fach Spaß macht, sondern weil es ihre Einstellungschancen erhöht. Wenn eine Uni ihnen die Wahl lässt, kann ich mir ausrechnen, was passiert.

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  3. Ich bin richtig froh, dass ich im Studium alle Vorlesungen gemeinsam mit Diplommathematikern besucht habe. Ging zwar über den Tellerrand hinaus und war nicht immer einfach, aber dafür bin ich jetzt fest im Sattel. Vorlesungen von Didaktikern gab's keine. The road was our school (The Band).

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