Donnerstag, 22. Juni 2023

Marokko IV

 Die vierte Aufgabe aus dem Abitur in Marokko 2021 behandelt die Zahlentheorie:

Sei \(a \ge 2\) eine natürliche Zahl und \(A = 1 + a + a^2 + a^3 + a^4 + a^5 + a^6\). Sei \(p\) eine ungerade Primzahl, welche \(A\) teilt.

    • 1.a)  Zeige, dass \(a^7 \equiv 1 \bmod p\) ist, und folgere, dass \(a^{7n} \equiv 1 \bmod p\) für alle \(n \in \mathbb N\) ist.
    • b) Zeige, dass \(a\) und \(p\) teilerfremd sind, und folgere, dass für alle \(m \in \mathbb N\) gilt: \(a^{(p-1)m} \equiv 1 \bmod p\).
    • 2.a) Wir nehmen jetzt an, dass 7 kein Teiler von \(p-1\) ist. Zeige, dass \(a \equiv 1 \bmod p\) gilt.
    • b) Folgere, dass \(p = 7\) ist.
    • 3. Zeige: Ist \(p\) eine ungerade Primzahl, welche \(A\) teilt, dann ist \(p = 7\) oder \(p \equiv 1 \bmod 7\)
Fangen wir an. Um etwas über \(a^7\) herauszubekommen, multiplizieren wir \(A\) mit \(a\) und finden \(Aa = a + a^2 + a^3 + a^4 + a^5 + a^6 + a^7 = A + a^7-1\). Also ist \(a^7-1 = Aa - A\) durch \(p\) teilbar, weil \(A\) durch \(p\) teilbar ist. Wenn \(a\) und \(p\) nicht teilerfremd sind, dann ist \(p\) ein Teiler von \(a\), weil \(p\) prim ist. Dann folgt aber \(A = 1 + a + a^2 + \ldots + a^6 \equiv 1 \bmod p\) im Gegensatz dazu, dass \(p\) ein Teiler von \(A\) ist. Damit ist 1. erledigt.

Sei nun \(p-1\) nicht durch 7 teilbar. Nach dem kleinen Fermatschen Satz ist \(a^{p-1} \equiv 1 \bmod p\); außerdem ist \(a^7 \equiv 1 \bmod p\). Nach dem Satz von Bezout gibt es Zahlen \(r\) und \(s\) mit \(7r + (p-1)s = 1\). Dann ist aber \[a = a^1 = a^{ 7r + (p-1)s} = a^{7r} a^{(p-1)s} \equiv 1 \bmod p\]. Aus \(A = 1 + a + a^2 + \ldots + a^6 \equiv 1 + 1 + 1 + \ldots + 1 = 7 \bmod p\) und weil \(p\) ein Teiler von \(A\) ist, muss also \(p = 7\) sein.

Damit ist die Arbeit getan: Falls \(7\) kein Teiler von \(p-1\) ist, ist \(p = 7\); andernfalls ist \(7\) ein Teiler von \(p-1\). Wenn also \(A\) durch eine ungerade Primzahl \(p\) teilbar ist, dann ist entweder \(p = 7\) oder \(p \equiv 1 \bmod 7\).

Mehr Mathematik braucht man nicht, um das RSA-Verfahren zu verstehen - eine der Grundlagen für sichere online-Kommunikation und damit aus der Lebenswelt eines jeden, der online banking benutzt oder mit seinem Handy bezahlt. Aber wer möchte schon bestreiten, dass die Kompetenz des Kästchenzählens wichtiger ist. 

Samstag, 17. Juni 2023

Marokko II

Heute gibt es die zweite Aufgabe des 2021-Abiturs aus Marokko.

Wir betrachten eine auf \(\mathbb R\) definierte Funktion \(F\), die durch \[F(x) = \int_0^x e^{t-\frac{t^2}2}\, dt \] gegeben ist. 
    • 1.a)  Bestimme das Vorziechen von \(F(x)\) in Abhängigkeit von \(x\) .
    • b) Zeige, dass \(F\) auf \(\mathbb R\) differenzierbar ist und berechne die erste Ableitung \(F'(x)\).
    • 2.a) Zeige durch partielle Integration, dass gilt: \[\int_0^1 F(x)\, dx = \int_0^1 (1-x) e^{x - \frac{x^2}2}\, dx. \]
    • b) Berechne \(\int_0^1 F(x)\, dx .\)
    • 3. Wir betrachten die durch  \[ u_n = \frac{1}{n} \sum_{k=0}^{n-1} \Big( (n-k) \int_{\frac{k}{n}}^{\frac{k+1}{n}}  e^{x - \frac{x^2}2}\, dx \Big)  \] für alle \( n \in \mathbb N \) definierte Folge \( (u_n)_{n \ge 1} \). a) Zeige, dass für alle \(n \in \mathbb N\) gilt: \[  u_n = \frac1n  \sum_{k=0}^{n-1}  (n-k) F\Big( \frac{k+1}{n} \Big) - \frac1n  \sum_{k=0}^{n-1}  (n-k) F\Big( \frac{k}{n} \Big).  \]
    • b) Zeige, dass für alle \(n \in \mathbb N\) gilt: \[  u_n = \frac1n  \sum_{k=1}^{n}  F\Big( \frac{k}{n} \Big).  \]
    • c) Folgere daraus, dass die Folge \( (u_n)_{n \ge 1} \) konvergiert und bestimme deren Grenzwert. 
Natürlich wird auch hier nur mit Wasser gekocht, aber die Speisekarte geht dann doch etwas über ein veganes Tofuwürstchen hinaus.

a) Weil der Integrand positiv ist, ist auch das Integral für \(x > 0 \) positiv. Weiter ist \(F(0) = 0\) und \(F(x) < 0 \) für alle \(x < 0 \). 

b) Weil der Integrand stetig ist, ist \(F\) differenzierbar, und es gilt \(F'(x) =  e^{x - \frac{x^2}2}. \)

2a) Partielle Integration einer Integralfunktion - nicht schlecht! Wir finden \[ \int_0^1 1 \cdot F(x)\, dx = x F(x) \Big|_0^1 - \int_0^1 x F'(x)\, dx = F(1) - \int_0^1 x  e^{x - \frac{x^2}2}\, dx \\ = \int_0^1  e^{x - \frac{x^2}2}\, dx - \int_0^1 x  e^{x - \frac{x^2}2}\, dx = \int_0^1 (1-x)  e^{x - \frac{x^2}2}\, dx. \]

2b) Jetzt ist \[ \int_0^1 F(x)\, dx = \int_0^1  (1-x)  e^{x - \frac{x^2}2}\, dx = e^{x - \frac{x^2}2} \Big|_0^1  = \sqrt{e} - 1 .\]

3a) Die erste Identität folgt, wenn man das Integral durch die Stammfunktion \( F \) ausdrückt. b) zeigt sich von alleine, wenn man weiß, wie Indexverschiebung bei Summen funktioniert. Die Konvergenz in c) liegt daran, dass die Summe eine Riemannsumme ist, die gegen das entsprechende Integral konvergiert; insbesondere ist \[ \lim_{n \to \infty} u_n = \int_0^1   F(x)\, dx = \sqrt{e} - 1 .\]

Mittwoch, 14. Juni 2023

Abituraufgaben aus Marokko

Viele nordafrikanischen Länder haben ihr Bildungssystem von Frankreich übernommen; wie bei den Franzosen gibt es dort verschiedene Spielarten des Abiturs, von S wie scientifique bis L wie Literatur.  Heute stelle ich hier die Einstiegsaufgabe von 2021 vor.

I. Wir betrachten die auf dem Intervall \(I = ] -\infty, 1[\) definierte Funktion \( f \)  mit \( f(x) = \ln(1-x) \). Sei C das Schaubild von \(f\) in einem kartesischen Koordinatensystem.

    • (0,25) 1.a) Zeige, dass \( f \) stetig auf I ist .
    • (0.25) b) Zeige, dass die Funktion \( f \)  auf I streng monoton fallend ist.
    • (0,75) c) Berechne \(  \lim\limits_{x \to 1^-} f(x)\), \(  \lim\limits_{x \to - \infty} f(x)\),  \(  \lim\limits_{x \to 1^-} \frac{f(x)}{x}\).
    • (0,5)   d)  Interpretiere diese Resultate am Schaubild C.
    • (0,25) e) Zeichne die Monotonietafel. 
Bei 1.a) wird man, weil es dafür nur 0,25 P gibt, vermutlich nur schreiben müssen, dass \( f \) die aus
\(u(x) = \ln x \) und  \( v(x) = 1-x \) verkettete Funktion ist, und \(u\) und \(v\) stetig sind.
Bei b) wird man sich auf \(f'(x) = \frac1{x-1}\) berufen und feststellen, dass \( f'(x) < 0 \) auf I gilt.
Die Grenzwerte sind \(\lim\limits_{x \to 1^-} f(x) = -\infty \), \(\lim\limits_{x \to - \infty} f(x) = +\infty \)  und \(\lim\limits_{x \to 1^-} \frac{f(x)}{x} = 0\), weil \( x \) schneller wächst als der Logarithmus. Die ersten beiden Ergebnisse liefern die senkrechte Asymptote \( x = 1 \), das Wachsen über alle Grenzen für \(x \to - \infty \), wobei \(f \) viel langsamer wächst als linear. Die Monotonietafel ist hier banal, weil \(f \) auf ganz I streng monoton fällt.
    • (0,25) 2. a) Zeige, dass das Schaubild C konkav ist.
    •  (0,25)    b)  Skizziere C in einem kartesischen Koordinatensystem.
    • (0,25)  3. a) Zeige, dass \(f \) eine Bijektion von I auf \( \mathbb R\) ist.  Sei jetzt \( f^{-1} \) die Umkehrfunktion von \( f \).
    • (0,25)      b) Bestimme \( f^{-1}(x) \) für \(x \in \mathbb R\). 
    • (0,25)      c) Zeige, dass \(f^{-1}(-1) = 1-e^{-1} \) ist.
Konkav ist das, was der deutsche Kindergarten am Gymnasium eine Rechtskurve nennt. Hier folgt 2.a)  aus \( f''(x) = - \frac1{(x-1)^2} < 0 \). Um zu zeigen, dass \(f \) bijektiv ist, muss man nachweisen, dass es injektiv und surjektiv ist. Injektivität folgt aus der strengen Monotonie, Surjektivität aus den Berechnungen der Grenzwerte von \(f\) für \(x \to - \infty\) und \(x \to 1\). Die Bestimmung der Umkehrfunktion ist einfach; man erhält \( f^{-1}(x) = 1 - e^x\) und damit \(f^{-1}(-1) = 1-e^{-1} \) .

Das war bisher nichts Weltbewegendes, aber doch wohltuend mathematisch. Kommen wir nun zu Teil II.

II. Für jedes reelle \( x \) und für jede natürliche Zahl \(n \ge 2 \) setzen wir

   \[ P_n(x) = x + \frac{x^2}2 + \ldots + \frac{x^n}n .\]

    • (0,5) 1. Zeige, dass für jede natürliche Zahl \(n \ge 2 \) ein reelles \( x \in ]0, 1[ \)  existiert mit \(P_n(x) = 1. \)
    • (0,5) 2. Bestimme die reelle Zahl \( \alpha = x_2\) und zeige, dass \(0 < \alpha < 1 \) gilt
    • (0,5) 3.a) Zeige:    für jede natürliche Zahl \(n \ge 2 \)  gilt \(P_{n+1}(x_n) > 1 \).
    • (0,5)    b) Folgere daraus, dass die dadurch definierte Folge \( (x_n)_{n \ge 2} \)  streng monoton fallend ist.
    • (0,25)  c) Zeige, dass \(x_n \in\ ]0, \alpha [ \) ist für jede natürliche Zahl \(n \ge 2 \) .
    • (0,25)  d) Zeige, dass die Folge \( (x_n)_{n \ge 2} \) konvergiert.
    • 4. Für jedes reelle \( x \in I\) und jede  natürliche Zahl \(n \ge 2 \)  setzen wir \[ f_n(x) = f(x) + P_n(x) \].   (0,5) a) Zeige, dass für alle \( x \in I\) und alle \(n \ge 2\) gilt: \(f_n'(x) = - \frac{x^n}{1-x} \).
    • (0,25) b) Zeige, dass  für alle \( x \in [0, \alpha] \) und alle \(n \ge 2\) gilt: \( |f_n'(x)| \le  \frac{\alpha^n}{1-\alpha} \).
    • (0,5) Folgere daraus, dass  für alle  \( x \in [0, \alpha] \) und alle \(n \ge 2\) gilt:  \( |f_n(x)| \le  \frac{\alpha^n}{1-\alpha} \).
    • (0,5) d) Zeige, dass für alle \(n \ge 2 \) gilt: \( |f(x_n)+1| \le  \frac{\alpha^n}{1-\alpha} \).
    • (0,5)  e) Bestimme damit den Wert von \( \lim \limits_{x \to + \infty} x_n\). 
Gehen wir's an. Für 1 genügt die Beobachtung \(P_n(0) = 0\) und \(P_n(1) > 1\). Lösen der quadratischen Gleichung \(1 = P_2(x) = x + \frac{x^2}2 \) liefert \( x_2 = \sqrt{3} - 1\), und die Behauptung folgt wegen \(1 < \sqrt{2} < 2\). Offenbar ist \(P_{n+1}(x_n) = P_n(x_n) + \frac{x_n^{n+1}}{n+1} = 1 + \frac{x_n^{n+1}}{n+1} > 1\). 

Jetzt ist \(P_{n+1}(x_n) > 1\) und  \(P_{n+1}(x_{n+1}) = 1\); weil \( P_n \) streng monoton wächst, folgt daraus \(x_{n+1} < x_n\), d.h. die Folge \(( x_n )\) ist monoton fallend. Wegen \(x_2 = \alpha \) ist daher \(x_n \le \alpha\); weil auch \(x_n > 0\) ist, folgt \( x_n \in ]0, \alpha ]\). Weil die Folge \((x_n) \) monoton fällt und beschränkt ist, konvergiert sie.

In 4. Ist \[ f_n'(x) = f'(x) + P_n'(x) = \frac1{x-1} + 1 + x + x^2 + \ldots + x^{n-1} \]. Der hintere Teil ist eine geometrische Reihe mit Summe \( \frac{x^n-1}{x-1} \), folglich ist \[ f_n'(x) = \frac1{x-1} + \frac{x^n-1}{x-1}  = \frac{x^n}{x-1} = -\frac{x^n}{1-x} \] wie verlangt.

Für b) rechnet man nach, dass \( |f_n'(x)| \) streng monoton steigt, indem man zeigt, dass \( |f_n''(x)| > 0 \) ist. Dann folgt die Behauptung wegen  \( |f_n'(0)| = 0 \) und \( |f_n'(\alpha)| =  \frac{\alpha^n}{1-\alpha} \). 

Für c) braucht man eine Idee. Ich habe mir folgendes einfallen lassen:\[ |f_n(x)| = \int_0^x |f_n(t)|\, dt \le \int_0^x \frac{\alpha^n}{1-\alpha}\, dt = \frac{\alpha^n}{1-\alpha} \cdot x < \frac{\alpha^n}{1-\alpha} \] wegen \(0 < x < 1\). Dabei habe ich benutzt, dass \(f(x) \le 0 \) für  \( x \in [0, \alpha] \)  und damit \(|f(x)| = -f(x) \) ist.

Setzen wir \(x = x_n\) in \(f_n\) ein, erhalten wir \(f_n(x_n) = f(x_n) + P_n(x_n) = f(x_n) + 1 \). Also folgt aus c), dass \(| f(x_n) + 1| =  |f_n(x_n)|  < \frac{\alpha^n}{1-\alpha} \) ist.

Aus d) folgt, dass \( \lim_{n \to \infty} |f(x_n) + 1| = 0 \) ist, also \( \lim_{n \to \infty} \ln(1-x_n) = -1 \). Daraus folgt  \( \lim_{n \to \infty}  1 - x_n = e^{-1} = \frac1e \), indem man die Exponentialfunktion auf den Grenzwert anwendet (Stetigkeit!) und damit \( \lim_{n \to \infty}  x_n  = 1 - \frac1e \). 

Das war die erste Aufgabe von vieren; die anderen (A2: Integralfunktion; A3: komplexe Zahlen; A4: Kongruenzrechnung und kleiner Fermatscher Satz) hole ich bei Gelegenheit nach.

Mittwoch, 7. Juni 2023

Dodis

 Weil mich unlängst jemand gefragt hat, ob in dem Buch "Algebra und Funktionen" von Prof. Dodi Bärbel Barzel, Dodi Matthias Glade (promoviert bei Prediger) und Dodi Marcel Klinger noch weitere lustige Sachen stünden (eine solche habe ich hier aufgezählt), will ich mich noch ein wenig mit diesem Buch befassen. 

Sobald die Autoren die Grundschulmathematik hinter sich lassen, wird es glitschig. Definitionsmenge und Wertebereich von Polynomen und Potenzfunktionen bilden da keine Ausnahme. Auf Seite 205 findet man folgendes schöne Bildchen:


Hier sind drei Fehler versteckt. Auf den ersten Blick könnte man meinen, es wären die folgenden:

  1. Offenbar sind die Schaubilder vertauscht. 
  2. Die Wertemenge jeder reellwertigen Funktion ist eine Teilmenge der reellen Zahlen; die Autoren meinen natürlich, dass die Wertemenge eine echte Teilmenge ist.
  3. Den Wertebereich durch die Variable x auszudrücken ist vielleicht kein Fehler, aber ein Hinweis darauf, wo die Autoren der diesjährigen Abituraufgaben Mathematik "studiert" haben.
  4. Das Minimum der Funktion vierten Grades hat als x-Koordinate die reelle Nullstelle des Polynoms \(f'(x) = 12x^3 + 15x^2 + 1\). Wenn man Algebra kann, sieht man schnell, dass \(x = -1,3\) keine Nullstelle von \(f'\) sein kann. Rationale Nullstellen haben nämlich höchstens den Koeffizienten 12 von \(x^3\) als Nenner. Wer noch mehr Algebra kann, der sieht, dass das Polynom \(g(x) = x^3 \cdot f'(\frac1x) =  x^3 + 15x + 12\) Eisensteinsch für \( p = 3 \)  und daher irreduzibel ist, also keine rationale Nullstelle haben kann. Tatsächlich ist \(x \approx -1.299358 \ldots \), und insbesondere liegt \(y = 1,28\) nicht im Wertebereich.
Gut, das sind Fehler, aber es sind lässliche Fehler. Die drei großen Fehler, die hier versteckt sind, sind die drei Doktortitel der Autoren. Wer vergisst, ein Zitat mit Fußnote und Verweis korrekt zu kennzeichnen, verliert seinen Doktortitel. Wer ihn sich in den Erziehungswissenschaften erschlichen hat, darf ihn behalten. 

Der Fundamentalsatz der Algebra wird tatsächlich formuliert (Polynome vom Grad n haben höchstens n Nullstellen), und er wird später dahingehend verschärft, dass man jedes Polynom mit reellen Koeffizienten in lineare und (irreduzible) quadratische Faktoren zerlegen kann. Herzallerliebst ist allerdings, wie die Autoren die Faktoren zählen:


Das kubische Polynom  \(x^3 + x = x(x^2+1) \) hat also, wenn man Dodis zählen lässt, drei Faktoren. Ist wahrscheinlich höhere Algebra. Erstaunlich auch, dass in einem Buch über Algebra und Funktionen die komplexen Zahlen noch nicht einmal am Rande erwähnt werden. 

Dann geht es um Umkehrfunktionen von Polynomfunktionen. Da muss man natürlich aufpassen:

Man muss den Definitionsbereich der Nullfunktion schon sehr arg einschränken, wenn man sie injektiv machen will. Überhaupt verleitet der Verzicht auf jegliche Beweise etwas zum Schwafeln:

Da muss man schon gut im Raten sein, wenn man herausfinden will, was die Autoren da gemeint haben könnten.

Das nächste Kapitel dreht sich um Exponentialfunktionen \(f(x) = a^x \), und auch hier kann der Laie was lernen und der Fachmann wundert sich. Oder andersrum. Wiewohl in diesem Buch fast gar nichts bewiesen wird, machen die Autoren im Falle der Monotonie von Exponentialfunktionen eine Ausnahme. Man ahnt, dass das keine gute Idee ist:

Die Monotonie wird also für \(a > 1\) auf die Frage \(a^c > 1\) zurückgeführt, und dann wird rückbesonnen. Dass die Zahl \(\frac14\), die zwischen 0 und 1 liegt, beim Potenzieren mit der positiven Zahl \( \frac12 \) kleiner wird, hätte ich nicht gedacht. Aber wer zwei Faktoren als drei zählen kann, kann auch kleiner so definieren, dass die Aussage richtig bleibt. 

Eine Anwendung der Exponentialfunktion aus der Lebenswelt der Schüler und Schülerinnen ist das Falten von Papier (nimm das, IPad!). 
Mein Gott - glauben die das wirklich? Jeder Depp hat bei 7- oder 8-maligem Falten an ein Blatt Papier und nicht an einen 5 km langen Papierstreifen gedacht. Was das Universum hier zu suchen hat, versteht auch niemand. Aber es ist schön, es mal erwähnt zu haben.

Ganz zum Schluss darf man in einem Test überprüfen, ob man jetzt genug Algebra gelernt hat, um in Didaktik promovieren zu können. Da darf es dann auch mal schwierig werden:
Gut, dass es auf der Homepage der Autorin Lösungen gibt. Die Funktion zu Situation 1 ist eine Funktion mit den Werten "wach" und "müde"; das ist die erste nicht reellwertige Funktion im Buch:


Und dazu fällt mir dann nichts mehr ein.














Sonntag, 4. Juni 2023

Landesbildungsserver BW: Binomische Formeln, Strahlensatz und Dodis

Wenn man sich wie die sächsische SPD-Bildungspolitikerin Sabine Friedel die Frage stellt, wozu man im Leben binomische Formeln braucht, dann kann man sich auf dem Landesbildungsserver BW schlau machen:

Die binomischen Formeln werden meist in Klasse 8 eingeführt. Sie sind Voraussetzung für die Bestiimmung von Hauptnennern bei Bruchgleichungen

 Da kann ja sogar ich was lernen. Ich habe schon viele Bruchgleichungen gelöst, aber die binomischen Formeln habe ich zur "Bestiimmung" des Hauptnenners ebensowenig gebraucht wie die sächsische SPD. 

Und wenn ich schon mal auf der Seite bin, hab ich gedacht, schauste mal nach, was sie zum Strahlensatz sagen. Der ist ja in BW höhere Mathematik und kann vor der Promotion praktisch gar nicht bewiesen werden. Und was soll ich sagen: die Strahlensätze werden "hergeleitet" und ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Man findet weder, was behauptet ist, noch weiß man, was vorausgesetzt ist, aber irgendwie kommt eine Streckung vor und am Ende der Strahlensatz raus - so macht das der Lambacher Schweizer ja auch, nur noch schlechter. Geschrieben sind die großartigen "Animationen" von einem Dr. Andreas Meier. Ich wollte mich schon aus dem Fenster werfen, weil jetzt promovierte Mathematiker vom Strahlensatz überfordert sind, da habe ich gerade noch festgestellt, dass Herr Meier in Didaktik der Mathematik promoviert hat. Glück gehabt.

Um weiteres Unheil zu vermeiden schlage ich vor, Doktortitel in Didaktik künftig nicht mehr mit Dr,, sondern mit Didr. oder noch besser mit Dodi. abzukürzen.

Digital Second

In Greystones (Co. Wicklow, Irland) haben die Eltern beschlossen, ihren Kindern zu erzählen, dass es erst in den weiterführenden Schulen ein Smartphone gibt. God Save Ireland.