Mittwoch, 26. August 2020

Digital gut, analog schlecht

Beim Stöbern in meinen Bücherschränken bin ich unlängst auf das Buch "Kopfarbeit mit Köpfchen" von Walter F. Kugemann gestoßen. Das Buch stammt aus dem Jahre 1966, und auf Seite 70 heißt es:

     Inzwischen sind Lernmaschinen und programmierter Unterricht den Kinderschuhen
     entwachsen und haben auch einige Kinderkrankheiten glücklich hinter sich
      gebracht.

       Ein gutes Jahrzehnt ist der programmierte Unterricht erst alt, aber schon ist 
      bei allen informierten Fachleuten unumstritten, daß er bereits in wenigen Jahren
      eine pädagogische Revolution noch nicht dagewesenen Ausmaßes einleiten
      wird. Noch vor 8 Jahren konnten zwei amerikanische Lehrer das gesetzliche
      Verbot dieses "Kinderverderbens" fordern. Heute ist das bereits ein geschichtlicher Witz.

"Bei informierten Fachleuten unumstritten": plumper kann man kaum argumentieren. Die pädagogische Revolution nie dagewesenen Ausmaßes ist ausgeblieben; selbst die Sprachlabore, die in den 70ern und 80ern aus dem Boden gestampft wurden, kennen heute nur noch die ganz alten.

      Noch vor wenigen Jahren als Zukunftsmusik in weite Ferne verlegt, unterrichten
      Lehrmaschinen heute schon genauso Volksschüler in den Grundrechnungsarten,
      wie sie Düsenjägerpiloten flugtechnische Spezialkenntnisse vermitteln und
      Physikstudenten die Grundzüge der Quantenphysik.

Die einzigen Studenten, die glauben, sie könnten die Grundzüge der Quantenphysik von Lehrmaschinen lernen, sind vermutlich Studenten der Erziehungswissenschaften. Das bisschen, was die von Physik verstehen, kann man denen vermutlich schon mit einem Computer beibringen. Woher Kugemann die Idee hat, dass es damals Physikstudenten gegeben haben soll, die Quantenphysik von Lehrmaschinen gelernt haben, ist mir ein Rätsel. Ich vermute, er hat das einfach erfunden.

     Nicht ohne Reiz ist die Tatsache, daß der programmierte Unterricht von
     Psychologen entwickelt und populär gemacht wurde, daß Psychologen seine 
     Wirksamkeit bewiesen und in der Anfangszeit sogar Programme zusammenstellten,
     daß Psychologen die wissenschaftliche Grundlage geliefert haben und dauernd
     weitere Erkenntnisse beisteuern.
       
Bei Beweis der Wirksamkeit denkt man sofort an die moderne Bildungsforschung, die ebenfalls erstaunliche Dinge beweist. Manches davon steht schon bei Kugemann: Der Lernende und dessen Lernverhalten wird von der Lehrmaschine gesteuert, der Lernende wird von der Lehrmaschine motiviert, und das

      Programm gestattet es den Lernenden, individuell zu arbeiten und das 
      Fortschreiten nach seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten einzurichten.

Brave New World, wie Huxley das genannt hat. Nichts davon ist wahr gewesen, nichts davon ist heute wahr. Jetzt könnte man meinen, dass Leute, die schon vor 50 Jahren komplett daneben gelegen haben, sich danach mit vorlauten Äußerungen etwas zurückhalten würden. Aber bei Psychologen und Erziehungswissenschaftlern läuft das anders: wer nichts kann, wird Leiter des Instituts für Lern-Innovation der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und wird sogar 2008 noch als Experte für elearning interviewt.  Da murmelt er erst einmal was davon, dass es früher den Begriff des lebenslangen Lernens nicht gegeben hat und folgert daraus, dass es folglich auch lebenslanges Lernen nicht gegeben haben kann. Er verunglimpft die Schule als soziale Sortiermaschine und zeigt, dass er von Mathematik absolut keine Ahnung hat:

       Als Mathematiklehrer führt man keinen Beweis mehr an der Tafel, sondern alle
       Schüler, ausgestattet mit Laptop und W-Lan, recherchieren zum Thema im Internet. 
       Die neue Aufgabe des Lehrers besteht nicht mehr in der Vermittlung von 
       enzyklopädischem Wissen, sondern in der Erarbeitung von Kompetenzen, 
       Informationen zu bewerten.

Wie man Informationen bewertet, wenn man nichts mehr weiß, erklärt der Herr natürlich nicht. Vermutlich hat er soweit gar nicht gedacht.

       Ein Student liest heute kein Software-Handbuch mehr, er probiert einfach aus.

Wenn ich noch einen Wunsch frei hätte, dann den: Dass Leute wie Herr Kugemann von Ärzten behandelt werden, die als Studenten kein Buch gelesen haben und einfach mal was ausprobieren, oder in Flugzeugen durch die Welt fliegen, die von solchen Ingenieuren gebaut worden sind.


Donnerstag, 20. August 2020

Exzellenzuniversitäten

 Nun ja - der Frage, ob Kunsthochschulen Universitäten sind, weiche ich mal aus. Aber irgendwie passt das ganze schon in das Bild, das ich mir von heutigen Hochschulen in Deutschland, vor allem zwischen Berlin und Hamburg, inzwischen so mache. Der Herr Professor  Friedrich von Borries von der Hamburger Hochschule für bildende Künste hat drei Stipendien zu je 1600 Euro ausgeschrieben, die man fürs Nichtstun bekommt. Peanuts. Jedenfalls wenn man das mit dem Professorengehalt und Beamtenstatus von von Borries vergleicht. Allerdings bekommt er das nicht fürs Nichtstun. Was bedauerlich ist, denn wenn man sich ansieht, welche Ergebnisse seine Forschungen hervorgebracht haben, dann wünschte man sich, er bekäme sein Gehalt fürs Nichtstun. Mir jedenfalls fehlen die Worte, um seine Publikation Stadt der Zukunft. Wege in die Globalopolis angemessen zu würdigen. Und das kommt nicht oft vor.