Montag, 23. Oktober 2023

Lügenbeutel oder nur doof?

 Diese Frage stellt man sich oft, wenn man Nachrichten aus Wokistan liest. So haben sich schon vor einiger Zeit die Bayreuther "Literaturwissenschaftlerinnen" Susan Arndt und Nadja Ofuatey-Alazard  an der Etymologie des rassistischen Begriffs "Mohr" versucht. Anstatt bei Wikipedia nachzuschauen, haben sie die etymologische Herkunft des Wortes frei erfunden, damit auch wirklich jeder Mensch beiderlei oder dreielei Geschlechts einsieht, wie rassistisch das Wort ist. Wikipedia meint, im Einklang mit lateinischen Wörterbüchern wie pons, dass das Wort vom lateinischen maurus abstamme und Bewohner Mauretaniens (allgemeiner Nordafrikas) bezeichnet. Mauretanien tut den Autorinnen aber nicht den Gefallen, rassistisch zu sein, ebensowenig wie Niger oder Nigeria; also leitet man das Wort auch vom griechischen "moros" her, was dümmlich oder idiotisch bedeutet. Man nennt das wohl "Lügen für einen guten Zweck". Also dafür, dass man Leuten, die Mohrenkopfwecken sagen, Rassismus vorwerfen kann. Das heiligt allemal die Mittel.

Ein weiterer woker Lügner vor dem Herrn ist Prof. Timothy Kim von der ehemals angesehenen Yale University, der sich in einem Aufsatz für die Washington Post dem Thema Rassismus in der Mathematik hingibt.  Darin beschwert er sich, dass der euklidische Algorithmus nach Euklid benannt ist, während der chinesische Restsatz nicht nach Sun Tse benannt ist. Mathematik ist halt rassistisch. Dass Euklid seine Aussagen bewiesen hat und Sun Tse eine Regel aufgestellt hat, die viel später (ohne dass sie von den chinesischen Vorarbeiten wussten) Bezout, Euler und Gauss bewiesen haben, tut nichts zur Sache. Die Faktenlage ist die: Wiley hat 1852 in Europa bekannt gemacht, dass sich dieser Satz bei Sun Tse findet; diese Tatsache wurde relativ schnell bekannt, und in der Besprechung eines Artikels im Jahrbuch für die Fortschritte der Mathematik aus dem Jahre 1881 heißt es:

Man muss also Herrn Matthiessen und seinem Freunde, dem bekannten mathematischen Sinologen A. Wylie in Shanghai, für diese Ehrenrettung des Sun-tsè sehr dankbar sein; hoffentlich bestätigt sich auch die von Wylie ausgesprochene Hoffnung, demnächst noch weitere Materialien zum besseren Verständnis altchinesischer Zahlenwissenschaft aufzufinden.

 1929 hat Dickson den Satz dann "chinesischer Restsatz" genannt. Damit kann man, wenn man diesen Leuten Rassismus vorwerfen will, nicht viel anfangen. Bei Prof.  Kim sieht das Lügen für den guten Zweck dann so aus:

In 1929, a White mathematician at the University of Chicago named L.E. Dickson popularized the CRT in the English-speaking world and simultaneously stripped away Sun Tzu’s name.

Dickson war also Weiß. Schande. Zweitens hat er den Satz chinesischer Restsatz und nicht Satz von Sun-Tsu genannt; ich vermute, weil Dickson ein Weißer Mathematiker war, und als solcher der rassistischen Philosophie anhängt, dass man einen Satz nach demjenigen benennt, der ihn nach bestem Wissen und Gewissen zuerst bewiesen hat. Da ist Prof. Kim aber anderer Ansicht:

Why did Dickson remove Sun Tzu’s name from the theorem? We can’t know what was in his heart, but we know that Dickson made the choice amid a surge of anti-Asian violence in the United States stretching back to the late-19th century. For example, in Rock Springs, Wyo., in 1885, a White mob torched the local Chinatown and killed 28 Chinese immigrants.

So machen das Weiße Rassisten wie Dickson. Sie streichen den Namen eines chinesischen Mathematikers 1929 aus einem Satz, weil es 40 Jahre vorher in einem mehr als 1000 Meilen entfernten Bundesstaat ein Massaker an Chinesen gegeben hat. Belege braucht es keine; schließlich war Dickson Weiß, das muss reichen.


1 Kommentar:

  1. Das ist in der Tat ein interessantes Beispiel für das Wirken von Ideologie und den Missbrauch der Geschichte der Mathematik. Die dargelegten Argumente sind aber noch nicht wasserdicht: Wenn der Satz in Lehrbüchern, die zwischen 1880 und 1929 erschienen sind, als Satz von Sun Tse bezeichnet wurde, dann könnte Prof. evtl. zu Recht von einer bewussten Elimination des Namens sprechen. Wenn dem nicht der Fall ist, ist er in der Tat als Scharlatan überführt.
    Neben dem Lügen für die gute Sache gibt es auch noch das Irreführen für die gute Sache, und das ist möglicherweise genauso gefährlich. Ein interessantes Beispiel liefert die immerwährende Diskussion zur Frage, ob die mathematischen Fähigkeiten von Studienanfängern schlechter geworden sind. Kürzlich habe ich erlebt, dass Kollegen, die die Wirkungen der Reformen im Mathematikunterricht positiv sehen wollen, mit der Studie von Buschüter et al. https://doi.org/10.1007/s40573-016-0041-4 argumentiert haben. Die hat nämlich keinen Rückgang mathematischer Kompetenz von Physikstudienanfängern über eine Zeitspanne von 35 Jahren festgestellt. Die erste Irreführung ist, dass heute mit dieser Studie argumentiert wird, die 1978 und 2013 verglichen hat. 2013 liegt ungefähr 10 Jahre zurück und damals gab es noch fast überall Leistungskurse. Daraus auf heutige Verhältnisse zu schließen ist gewagt. Die zweite Irreführung ist die Studie selbst. In der 2013er Stichprobe war der Anteil der Studierenden mit Mathematikleistungskurs erheblich höher (55% zu 38%), trotzdem werden die Gesamtstichproben verglichen. Von den 47 Aufgaben von 1978 wurden etwa 10 aus verschiedenen Gründen weggelassen, z. B. weil sie heute nicht mehr durch den Lehrplan abgedeckt werden. Das ist den Getesteten gegenüber fair, die These, dass heute Studienanfänger weniger Mathematik können, lässt sich so aber kaum widerlegen.
    Fazit: Wir haben in Teilen eine wertegeleitete Wissenschaft, die das Gute und Gewünschte befördert. Was will man mehr?

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